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Impressum

 

 

 

 Das Leben schreibt Geschichten, die vermeintlich einmalig sind...


 Links zu den Kapiteln

Vorwort 

Zum Autor 

Die Firma  

Auf zu neuen Ufern  

     Änderung der Organisation 

Das Führungsteam 

     Die Analyse  

Der Übergang  

     Diagnose:"Saustall" 

     Arbeitsweisen 

     Bestandsaufnahme nach 3 Monaten 

     Terminologie und Taktik 

Wassermann  

Das Tribunal 

Die Klausurtagung  

Erfolg auf ganzer Linie  

Der Rausschmiss   

Schadensbegrenzung  

Zwischenspiel  

Rehabilitation  

Fazit

 


 

Vorwort

 

Die nachfolgende Geschichte schildert einen Abschnitt meines Lebens. Das Leben eines Menschen, der von seinem Vorgesetzten geopfert werden sollte, um dessen Autorität zu retten. Sie schildert die Bewältigung der existenzbedrohenden Situation und die Auswirkungen auf mein restliche Berufsleben. Das "Bauernopfer" war der letzte Ausweg des Vorgesetzten, der nur mäßige Führungsqualitäten besaß, Autorität nicht überzeugend ausüben konnte und dem nur noch fachliche Autorität auf einem kleinen Gebiet geblieben war.

 

Einschätzung am Ende meines Berufslebens

 

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass weitaus mehr Betriebe durch das mittelmäßige Talent der sie führenden Manager, als durch die Fehlleistungen ihrer Mitarbeiter ruiniert werden.
Einige Führungskräfte üben sich darüber hinaus häufig in maßloser Selbstüberschätzung und Arroganz, die - gepaart mit einem Schuss Menschenverachtung zu einer höllischen Mixtur wird.

 

Seit Jahren pflegen sie den Irrglauben, der Erfolg trage ihre unverwechselbare Handschrift, während allerlei Gründe des Misserfolges in den Reihen der Belegschaft zu suchen seien. Irgendwann werden auch sie erkennen, dass positives unternehmerisches Geschehen überwiegend der Gunst des Marktes und dem Geschick und Können des mittleren Managements zu verdanken ist. 

 

Die Maßnahmen der Führung entscheiden jedoch generell über Sekt oder Selters!


Tag für Tag überschreiten Kräfte der mittlere Ebene Kompetenzen, um den Begleitschaden der getroffenen Entscheidungen zu begrenzen, denn sie haben für Führungsschwäche und falsche Entscheidungen ein feines Gespür.

 

Kläffer und Beißer ...

 

Seit geraumer Zeit befassen sich Unternehmen damit, das mittlere Management zu reduzieren. Manche Unternehmen wollen gar die Ebene der "Kläffer" und "Beißer", die als "Lärmschicht" verschrieene Gruppe der "nicht direkt wertschöpfenden mittleren Führungsebene", gänzlich eliminieren. "Ebenen herausnehmen" heißt die Devise, "Schnittstellen beseitigen" das Schlagwort, das zum Massenschluss zwischen Führung und Basis und zur Freisetzung von Potentialen führen soll. Selbst die vielgeächtete Fraternisierung mit unteren Ebenen wird enttabuisiert, um im Sattel zu bleiben.
Man zieht verbrieftes akademisches Fachwissen gepaart mit Risikofreude dem viel stärker benötigten Talent und Können vor. Das ist aber gerade in anderen Ebenen der Hierarchie reichlich vorhanden. Die fehlende Einsicht, dass gerade die Erfahrung der bewährten Fachkräfte unbezahlbar, vielfach unersetzlich und im internationalen Wettbewerb unverzichtbar ist, wird noch zur teuersten Erkenntnis vieler Unternehmensleitungen werden. Wieder wird ein Heer von Unternehmensberatern aktiv werden, weil die eigenen Führungskräfte nicht in der Lage sind, die Potentiale zu erkennen und zu heben.

 

Führungsschwäche

 

Schwächen der Führungskräfte kommen allerdings meist erst in Zeiten der Rezession so richtig zum Tragen. Dann werden sie zur akuten Existenzbedrohung des Apparates und damit aller unmittelbar Betroffenen.
Als erste Maßnahme werden entsprechend des in Wirtschaft und Politik herrschenden Zeitgeistes die Gürtel der Mitarbeiter enger geschnallt und die Besten von ihnen schamlos ausgepresst.
Das Spiel mit der Existenzangst wird zur zersetzenden Ersatzmotivation der Leistungsträger und zur klimavergiftenden Droge. Viele Führungskräfte der zweiten Reihe und die Personalreferenten schlagen in diesem verwerflichen Szenario selbst die unsozialsten Schinder um Längen.
Die Belegschaft, die zur wirklichen Gesundung des erfolgsschlappen und ertragsmüden Apparates beitragen könnte,  wird damit vorschnell und vor dem Herausarbeiten von Potentialen personell geschwächt, womit man den Erfolg vor dem sicher oft notwendigen Personalabbau bereits verspielt oder zumindest infrage stellt.
Kein ausgebooteter Mitarbeiter hat jemals sein Wissen in der Firma gelassen. Wen wundert es, wenn aus diesem Grund Wissen abgebaut wird oder gar zur Konkurrenz abwandert. Das Aufgeben traditionsreicher Betätigungsfelder - eine besondere Antwort auf nicht beherrschte Märkte oder Verfahren - führt horizontal und vertikal zum Verlust von know how, das meist nicht mehr zu ersetzen ist. In den Strategiepapieren werden diese Betätigungsfelder als "nicht mehr ins Gesamtkonzept passend" beschrieben, jedoch seltsamerweise oft weiterhin vom Wettbewerb mit Interesse und sogar profitabel betrieben.

 

Hinausgeekelte und die Rotationspfeifen

 

Eine weitere hilflose Spielart und ein Zeichen mangelnder Selbstheilungskräfte ist das Ausgliedern oder das Outsourcen von Teilbetrieben. Grotesk wird die Entscheidung, wenn man man sich dann auch noch in die Hände derer begibt, die den bisherigen Misstand verursacht oder getragen haben.


Solche und ähnliche Vorgänge müssten eigentlich schonungslos analysiert werden. Stattdessen müssen meist die kritikfähigen Mitarbeiter gehen und man verschwendet keine Gedanken an Ursachenforschung und gar die Behebung der Missstände. Oft haben gerade die geouteten oder gefeuerten Mitarbeiter ihre Leistungsfähigkeit unter der momentanen Führung eingebüßt.
Die mittelmäßig qualifizierten und rigoros agierenden Führungskräfte hätten dagegen erst gar nicht in Leitungsfunktionen beschäftigt werden dürfen. Zum Zuge kommen die schwarzen Schafe dieses Personenkreises jedoch immer wieder, weil viele Firmen ein in sich geschlossenes Führungsmittelmaß pflegen, Führungskräfte mit Talent und Können dem innerbetrieblichen Intrigenspiel preisgeben und Funktionsträger, die den Erfolg gefährden, aus den Teileinheiten wegloben. So bleiben im Laufe der Zeit eine beachtliche Anzahl an Rotationspfeifen übrig.
Eine besondere Variante des Umganges mit dem mittleren Management ist das Ausbooten pflichtbewusster, leistungsfähiger, innovativer und führungstechnisch unbequemer Mitarbeiter, die Schwachstellen aufdecken und Konzepte zu deren Beseitigung erarbeiten. 

 

Dieser Personengruppe widme ich die schmerzlichen Erfahrungen, die ich machen musste.

Namen und Orte der Handlung sind aus gutem Grund verändert, obwohl sich die hier beschriebenen Typen und Strukturen in diesem, unserem Land überall und sogar in der Annahme gleichen, so etwas könne unmöglich im eigenen Unternehmen geschehen sein oder jemals geschehen.

 

 

Zum Autor

 

Zum besseren Verständnis des Geschilderten möchte ich meinen eigenen Werdegang kurz erläutern, damit ein besserer Bezug zwischen Autor und Satire hergestellt werden kann.

 

Beruflicher Werdegang

 

Ich wurde im Jahre 1944 geboren und als Einzelkind sehr streng und zum sparsamen Menschen  erzogen. Eine höhere Schulbildung scheiterte nicht an der Intelligenz, sondern an der elitären Ausrichtung des traditionsreichen Gymnasiums, zu dem ich offensichtlich nicht passte. So verlief mein Werdegang etwas anders und ich begann 1958 sehr zum Leidwesen meiner Eltern eine Ausbildung als Maschinenschlosser in einer der damals führendsten und traditionsreichsten Werkzeugmaschinenfabriken Europas, die in Frankfurt angesiedelt war.


Parallel zur Ausbildung absolvierte ich den zweiten Bildungsweg, den ich mit der Technischen Fachschulreife abschloss. Das geplante Ingenieurstudium scheiterte an meiner mangelnden Entschlusskraft bei der Wahl der Fachrichtung. 


Bereits Anfang der 60-er Jahre räumte man dem Beruf des Technischen Kaufmannes große Chancen ein. Die Kombination zweier grundverschiedener Berufe reizte mich und ich erlernte im gleichen Unternehmen den Beruf des Industriekaufmannes. In der technischen Ausbildung hatte ich bereits harte Ausbilder, doch während der kaufmännischen Ausbildung wurde ich noch stärker gefordert. Die erfolgreiche vorzeitige Prüfung war deshalb eine reine Formsache.


Meine erste kaufmännisch-technische Funktion erfüllte ich im Kundendienst, dem bei den verschleißintensiven Maschinen eine außerordentliche Bedeutung zukam. Meine berufliche Entwicklung wurde dann durch die Bundeswehrzeit unterbrochen, die ich allerdings ebenfalls zur Weiterbildung nutzen konnte. Als Bordmechaniker einer Hubschrauberstaffel lernte ich Teamarbeit und Teamgeist sehr ausgeprägt kennen. Niemand würde sich ohne Vertrauen in die fachliche Leistung und Zuverlässigkeit der gesamten Crew in die Luft begeben. Man muss sich der gemeinsamen Sache unterordnen und sehr lange kämpfen, bis man anerkannt und fest integriert wird. Die dort gesammelten Erfahrungen bestimmen mein Handeln bis heute.

 

Erster Wechsel

 

Als ich 1967 in den Beruf zurückkehrte, war meine Firma von einem amerikanischen Konzern übernommen worden. Nach Auflösung der Produktionsstätte in Frankfurt wurde der Firmensitz nach Düsseldorf verlegt und mein Arbeitsplatz ging verloren, weil ich zum Wohnortwechsel nicht bereit war. Da ich dem Maschinenbau treu bleiben wollte, nahm ich eine Stelle im Werkzeug- und Maschinenhandel an. Innerhalb von vier Jahren erlernte ich noch einmal praktisch von der Pike auf den Beruf des Groß- und Einzelhandelskaufmannes, wobei ich erneut an besonders gute Lehrmeister geriet. 

 

Zweiter Wechsel

 

Ende 1969 erdrückte mich das allzu private Betriebsklima des Familienbetriebes und ich wechselte zu dem Unternehmen, dem ich meine weiteren beruflichen Erfahrungen verdanke. Als Mitarbeiter des Zentraleinkaufes versuchte ich, meine Branchenkenntnisse optimal umzusetzen, was auch zu den ersten Rahmenabkommen mit dem Werkzeughandel führte. Dennoch füllte mich die rein administrative Beschaffungsfunktion nicht aus und ich wechselte in eines der Werke des Konzerns. Es erschien mir wichtig, wieder mit Metallverarbeitung zu tun zu haben - wieder betriebliche Luft zu schnuppern. Mit der technisch-kaufmännischen Bearbeitung des Bedarfes an Maschinen und Anlagen fand ich endlich das für mich optimale Betätigungsfeld. 

Die Abteilungsstruktur des Einkaufes und stark begrenzte Freiräume hemmten meine freie Entfaltung und ich hielt Ausschau nach interessanteren Betätigungsfeldern.

 

Dritter Wechsel

 

Im Jahr 1978 erhielt ich den Auftrag, die Einkaufsabteilung einer Tochtergesellschaft am gleichen Standort aufzubauen. Es war eine äußerst interessante Aufgabe, eine neue Abteilung aus dem Boden zu stampfen und Abläufe zu kreieren.


Zum damaligen Zeitpunkt organisierte man vielerorts Abteilungen extrem arbeitsteilig, um in allen Funktionen leicht zu führende Strukturen, niedrige Einkommen der Mitarbeiter und hohe Austauschbarkeit  zu ermöglichen. Das brachte jedoch Nachteile speziell in den Punkten Kompetenz, Effizienz und Wirtschaftlichkeit. So kam für mich nur der Aufbau einer Struktur infrage, bei der eine hohe Wirtschaftlichkeit und Schlagkraft durch Selbstverantwortlichkeit, Teamgeist und  zeitgemäßen Arbeitsmitteln garantiert war. Mit der neuen Aufgabe wuchs auch das zu beschaffende Spektrum der Materialien und Dienstleistungen. Waren es bisher Investitionsgüter, so musste nun von der Stecknadel bis zur Großinvestition alle Bedarfe des Betriebes beschafft werden.


Das erforderte umfangreiches Produkt- und Beschaffungswissen. Im Laufe der Jahre konnte ich alle Wissenslücken weitestgehend schließen und rundete das Versorgungssystem 1984 mit einem PC-Informationssystem ab, das die Basis der bedarfsgerechten Versorgung des Unternehmens bildete. 

 

Zum damaligen Zeitpunkt gab es in der Firma noch regelrechte Großfürsten, die sich permanent und penetrant in Einkaufsbelange einmischten. So litt die Tagesarbeit ständig unter Störaktionen mit zersetzendem Charakter und unter dem innerbetrieblichem Intrigenspiel. 

 

Der indirekte Kampf der Ebenen über den Umweg des Streites der Fachabteilungen untereinander kostete einerseits wertvolle Kraft, erzeugte andererseits aber auch ein feines Gespür für Angriffsflächen und setzte enorme Abwehrkräfte frei. Konkurrenz sollte angeblich die Leistungsfähigkeit erhöhen. Solche Strategien blieben für mich stets Krücken, die dem eigentlich erforderlichen Teamgeist zuwiderliefen.


Ich lernte es, Verbündete bereits im Vorfeld zu suchen und Entscheidungen vorzubereiten und - was viel wichtiger war - Konfliktstoff zu neutralisieren. Das ging jedoch intern und extern nur mit kooperativen Gesprächspartnern. Terrierhaftes "Dranbleiben" führte dabei oft zu großen Spannungen. Mein direkter Vorgesetzter opferte meine Ideen meist in solchen Situationen für Ruhe an anderen Fronten.


Jahrelang kämpfte ich hart um die Gunst jeder Mitarbeiterin und jedes Mitarbeiters der Firma, um ein für den Einkauf optimales Klima zu schaffen. Im Laufe der Zeit durchliefen einige gute Kräfte die Einkaufsabteilung. Diese Mitarbeiter arbeiteten im Team äußerst erfolgreich und setzten meine Ideen im Einkauf und anschließend auch in ihren heutigen Betätigungsfeldern gut um. Gegen Ende meiner Einkaufstätigkeit konnte ich auf ein erfolgreiches Wirken und den Aufbau eines guten Nachwuchses zurückblicken.

 

 

Die Firma

 

Ort des Geschehens ist die Tochtergesellschaft eines Großkonzerns, die heute noch in anderer Gesellschaftsform und unter anderem Namen auf dem Gebiet der elektronischen Werkstoffe tätig ist. Zweihundertzwanzig Mitarbeiter ordneten tagtäglich Kraft und Können dem Geschäftszweck unter. Bemerkenswert ist, dass Frauen in der Firmenleitung nicht vertreten waren.

 

Das Trampolin

 

Ein Dutzend Mitarbeiter bildeten die führungstechnische Zwischendecke, die jeden Druck von oben und unten absorbierte. Nur wenigen Führungskräften ist bewusst, dass die Zwischendecke äußerst empfindlich reagiert und der eigentliche Schlüssel zum Erfolg ist. Vergleicht man diese Decke mit einem Trampolin, so stellt das Heer der direkt wertschöpfenden Mitarbeiter das mehr oder weniger stabile Rahmengestell, das erwähnte Dutzend das Sprungtuch und die oberste Führungscrew die Springermannschaft dar. Das Motto "hoch und elegant springen und gekonnt (auf)fallen" steht über dem täglichen Übungsprogramm, das allzu oft in beiden Übungsteilen gründlich misslingt. Einer kühnen Theorie folgend wurde die hier beschriebene Firma auch als "real existierendes Unternehmensplanspiel des Konzerns" angesehen - als kostendeckende Lehranstalt für den  Führungsnachwuchs. Eine gewisse Form der permanenten Krise war hierbei durchaus erwünscht, hatte doch die Konzernmutter einen ständigen Bedarf an ausgebildeten Krisenmanagern. Als Zulieferer der namhaftesten Elektronikkonzerne der Welt bestanden für naturwissenschaftlich ausgebildete Jungakademiker hervorragende Voraussetzungen, um nach einem unumgänglichen Kurzdurchlauf durch Forschung und Entwicklung Erfahrungen zu sammeln. Als Lehrlinge der Macht erlangen sie so wertvolle Erkenntnisse in Arbeitsmethodik, Personalführung, Durchsetzungsvermögen, dem Aufbau von Strukturen aller Art und der Präsentation von Erfolgen. Mit Interesse verfolgt das namenlose Heer der Leistungsträger die kleinen Auszeichnungen für eigentlich weniger erwähnenswerte Leistungen - und wenn es nur einer der begehrten Firmenparkplätze ist. Eltern von Grundschülern werden unweigerlich an die Vergabe bunter Abziehbildchen als Notenersatz erinnert. Wen wundert es schon, dass diese Trampolinspringer nur allzu oft zwischen die Spannfedern und Seile fallen!
Keine Angst - weder sie noch das Trampolin kamen dabei zu Schaden.

 

An der Kundenfront

 

Doch zurück zum Unternehmen. Es hatte einen Teil der von der Konzernmutter produzierten Metalle in branchenüblicher Form zu vermarkten. Für den weltweiten Vertrieb stand zwingend das Auslandsvertriebsnetz des Konzerns zur Verfügung. Wie diese kunden- und branchenspezifische Aufgabe bei einer so riesigen Palette personell vor Ort erfolgreich bewältigt werden konnte, bleibt ein Rätsel. Das einem Polypen mit nur wenigen Saugnäpfen je Fangarm gleichende Vertriebsnetz fing sogar Plankton, aber nur dann, wenn sonstige fette Beute nicht in Sicht war.


Flankiert wurden diese dürftigen Vertriebsaktivitäten von wertvollen direkten und kostenintensiven  Anwendungsberatungen, aber auch von völlig unsinnigen Aktionen, welche mit blumigen Begründungen gerechtfertigt werden. Hier standen manchmal nur die eigentlichen Reisen im Vordergrund, denn eine Rentabilitätsberechnung hätte ergeben, dass die Reisekosten oft das gesamte Jahresergebnis mit den Reisezielen aufzehrten. Es kam nicht selten vor, dass sich ein aus einer Funktion scheidender Reisender von Kunden verabschiedete und sich kurz darauf sein Nachfolger auf gleiche Weise vorstellte, obwohl er damit einen eher negativen Einfluss auf die ohnehin umsatzschwache Geschäftsbeziehung ausübte. Unnötigerweise entstand der Eindruck, unser Unternehmen sei äußerst leistungsfähig und scheine mit den Produkten überdurchschnittlich gut zu verdienen.
Eine Herausforderung für jeden kundenseitigen Einkäufer! 

Selbstverständlich sind diese kritischen Äußerungen gewaltig überzeichnet, denn dahinter stand natürlich eine gewaltige Strategie.... , die halt erst - wie so oft - erst in einigen Jahren greifen sollte.... , wenn man den Besuchsberichten Glauben schenkte.

 

Betriebliches

 

Produziert wurde in Räumen, die vom Erdgeschoss bis zur 7. Etage in nicht höhengleichen Stockwerken reichten. Ein infarktähnlicher Materialfluss war die logische Folge. Alle vorgenommenen Optimierungen, wie die Sanierung alter Gebäudeteile, waren sehr kostspielig und bedeuteten im Endeffekt lediglich für die vermietende Teileinheit eine Ergebnisverbesserung. Im indirekten Sinn handelte es sich um eine Gewinnvorababschöpfung.
Zahllose Versuche, den Materialfluss zu verändern blieben kosmetische Aktionen, die unrentabel waren und hohe Summen verschlangen.
Technische Ausrüstung und Personalausstattung der kleinen wendigen Einheit boten die besten Voraussetzungen, fast jede Aufgabenstellung der Branche zu lösen.
Die bürotechnische Ausstattung von Einkauf und Verkauf entsprach dem Stand der Technik, wurde jedoch nicht optimal genutzt. An Ausrüstung hat es nie gemangelt, wohl aber am intelligenten Einsatz. Der Besitz einer Badewanne wird halt erst durch deren Gebrauch zur Kultur.

 

Umgang mit dem Personal

 

Eine Firma ist grundsätzlich so gut, wie ihre wirtschaftliche Basis, der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und deren Motivation. Letzteres war ein Schwachpunkt, denn die Pflege der Mitarbeiter wurde sträflich vernachlässigt. Das lag zum Teil daran, dass die personelle Betreuung durch die Konzernmutter unter dem typischen Stil einer dienstleistenden Verwaltungstätigkeit litt. Weder das im Prinzip gute Beurteilungsverfahren, noch die direkte Beobachtung der Leistung der Mitarbeiter führten zu einer gerechten Anerkennung guter Leistungen - geschweige denn zu einer leistungsgerechten Bezahlung.


Personalpressing war angesagt und führte zu messbaren Erfolgen der Personalabteilung. Die negativen Auswirkung auf die Leistung der Mitarbeiter verbesserten die Erträge langfristig natürlich nicht. Unternehmensleitlinien, mit der sich viele Unternehmen stolz schmücken, sind nur Makulatur.

 

Führung

 

Kontinuität in der Geschäftsführung und deren Führungstätigkeit sind normalerweise ein weiterer Erfolgsfaktor einer Firma. Der wegweisenden preußisch-strengen Aufbauarbeit des ersten Geschäftsführers folgten in schneller Folge 7 Geschäftsführer in nur 11 Jahren. Einige beschränkten sich auf die reine Verwaltung des Firmengeschehens, andere ließen die Leistungsträger mit liberalem Führungsstil zur Entfaltung kommen, ein Geschäftsführer veränderte gar alles um 360 Grad, um sich anschließend mit dem fettesten Produkt aus dem Staub zu machen. Der vorletzte Geschäftsführer, ein ausgesprochener Kaufmann, verließ das Schiff, als er das Leck im Rumpf entdeckte und nur geringe Reparaturchancen diagnostizierte. Er war es auch, der mir riet, meine einkäuferische Tätigkeit nicht gegen die Tätigkeit einzutauschen, die mein Leben so verändern sollte. Ich hätte die Hinweise ernst nehmen sollen - auch die Zweifel an der Konfliktfähigkeit der Personengruppe - mit der ich mich einlassen wollte. Die bereits bevorstehende Auflösung unserer Teileinheit und die Konsequenzen bei der Wiedereingliederung vor Augen, hätte die eindringliche Warnung von mir verstanden werden müssen - leider nicht!!!

Zwei Dinge kommen im Leben nie zurück:
Das gesprochene Wort und die verpasste Gelegenheit.

 

 

Auf - zu neuen Ufern

 

Bis zum Beginn der geschilderten Ereignisse hatte ich mich fast 24 Jahre lang dem Metier EINKAUF verschrieben und war seit Jahren als Einkaufsleiter  erfolgreich tätig. Mein berufliches Vorwärtskommen hatte ich stets meiner Tätigkeit und den Interessen des Unternehmens untergeordnet. Die Freude am Beruf, den ich nach wie vor als Berufung ansehe, sowie der positive persönliche Leistungsvergleich mit den Einkäufern des Konzerns gaben mir die Zufriedenheit und die Kraft, immer neue Spitzenleistungen zu bringen. Im Unternehmen hatte ich jeden Spielraum, den ich für meine Arbeit benötigte, auch wenn es an der beruflichen Förderung und an der Unterstützung meines Vorgesetzten in Ausnahmesituationen mangelte. Solange im Einkauf alles optimal lief und mein direkter Vorgesetzter nicht unter Beschuss stand, hatte ich Handlungsfreiheit.

Meine besondere Aufmerksamkeit galt der Ausbildung guten Einkäufernachwuchses, da diese Spezies nur herangezogen werden kann, wenn man geeignete Personen (auf 10 brauchbare Verkäufer kommt nur ein talentierter Einkäufer) findet und deren Talente gezielt fördert. Ich tat dies in der Art, in der ich es selbst erlernt hatte - durch beispielhaftes Vorleben von Partnerschaft im Geschäft sowie dem Gewähren und Nutzen von Freiräumen, die nur einem Ziel galten, der ganzheitlichen Kostensenkung und gleichzeitigen Stärkung der Leistungsfähigkeit aller Partner. Kurz gesagt - ich gab meine ganze Erfahrung und das Wissen einer langfristig erfolgreichen Einkaufstätigkeit uneingeschränkt weiter.


Während dieser Phase meines Schaffens litt ich zunehmend unter dem mangelnden Einfluss auf das Geschehen in Vertrieb und Produktion. Es stellte mich schon lange nicht mehr zufrieden, dass überdurchschnittliche Einkaufserfolge nur unwesentlich zur Ergebnisverbesserung beitrugen. All zu oft stieß ich auf Misswirtschaft im Umgang mit Materialien und Fertigungskapazitäten sowie auf offensichtlich völlig desolate Verkaufspreise. Da diese Preise vermehrt Großaufträge betrafen und der Vertrieb nur Umsatzdenken praktizierte, verglich ich die Taktik des Vertriebes mit dem Manöver eines Schiffes, das mit einem großen Loch im Bug stetig die Geschwindigkeit erhöht, um schneller ans rettende Ufer zu kommen.


Derart schwache Leistungen ließen allmählich den Wunsch reifen, den Einkauf zu verlassen und - wenn möglich - selbst das Loch im Bug zu schließen. Zu diesem Zeitpunkt galt auf der Brücke des Unternehmensschiffes die Devise "Ergebnisverbesserung um jeden Preis" und man warf bildlich gesprochen "personellen Ballast" über Bord, um den Auftrieb zu erhöhen. Damit beschränkte man allerdings auch die Zuladekapazität, denn ein stärkerer Auftragseingang drückte zwangsläufig das Leck wieder unter die Wasserlinie. Der sinnvolle Umgang mit Fertigungskapazitäten und ein sparsamer Einsatz von Material gepaart mit striktem Ertragsdenken war angesagt und ich hätte mich gern dieser Aufgabe gestellt - nur - ich konnte meinen Platz im Einkauf nicht verlassen.

 

Die Chance

 

Nachdem ich eine junge Nachwuchs-Einkäuferin soweit gezielt aufgebaut hatte, dass sie zumindest den Einkauf selbstverantwortlich übernehmen konnte, bot sich für mich innerhalb des Unternehmens die Gelegenheit zu einem Wechsel.


Inzwischen hatte sich der Umsatz infolge des Wegfalls eines Vertretungsprogramms und einer bedeutenden Artikelgruppe fast halbiert. Die Rezession und Preiszugeständnisse des Vertriebes zeigten eine verheerende Wirkung. Nicht nur das Einkaufsvolumen reduzierte sich um fast 40 Prozent. In der Produktion versuchte man, mit einem weiteren personellen Aderlass sowie organisatorischen Veränderungen gegenzusteuern. Mit einer Auftragsdurchlaufsimulation sollte zumindest die Termintreue verbessert werden.


Zu diesem Zweck wurde ein Auftragszentrum geplant, dem die Materialwirtschaft und die Arbeitsvorbereitung zugeordnet werden sollte. Es galt, nun endlich die Erträge zu steigern! Allerdings fehlte ein geeigneter Kandidat. Die bisherigen Betreuer der AV und des Simulationsprogramms schieden für diese Aufgabe aus - die Zeit drängte.

Das war die Aufgabe, die mich reizte!

 

Der Übergang

 

Die Vorgespräche stellten mich zufrieden und es stand fest, dass meine Aufgabe der wirtschaftliche und ertragreiche Umgang mit Materialien, Personal- und Maschinenkapazitäten  sein würde.


Der Übergang innerhalb des Einkaufes vollzog sich wie erwartet reibungslos und die bereits erwähnte Nachwuchs-Einkäuferin konnte sich mit Recht die jüngste Einkaufsleiterin des Konzerns nennen. Rein buchhalterisch wurde ich fortan unter der Kostenstelle 7420 als "Leiter Auftragszentrum" geführt. Die Versetzung war von der Zusage begleitet, dass die Bezüge nach erfolgreicher Einarbeitung, frühestens jedoch nach 6 Monaten, angemessen angepasst werden. Eine Stellenbeschreibung für den neuen Aufgabenbereich sowie eine schriftlich fixierte Abgrenzung innerhalb der Führungsebene existierte nicht, was mich damals noch nicht beunruhigte. Es existierte eine zum Leitfaden erhobene "acs-Philosophie" und ein Sanierungskonzept. Ich hatte eine Chance, Freiräume und eine unglaubliche Motivation, die mich beflügelte und ich dachte nur noch nach vorne. Was konnte mir da noch passieren?
Die folgenden Monate sollten mich eines Besseren belehren!

 

 

Änderung der Organisation

 

Zum besseren Verständnis der Vorgänge ist ein Einblick in die Organisationsstruktur und die Zuständigkeiten unerlässlich. Änderungen in der Unterstruktur waren unausweichlich, wollte man die wirkungsvolle Umsetzung des Auftragsbestandes und eine deutliche Ertragssteigerung erreichen.


Während ursprünglich beim Massenschluss zwischen Vertrieb und Produktion eine technisch-wirtschaftliche Umsetzung des Auftragsbestandes ausblieb, sollte die neue Struktur gerade diese Art der Umsetzung ermöglichen. Zur vornehmlichen Aufgabe des Auftragszentrums sollte es gehören, die Prioritäten des Vertriebes zu filtern und wirtschaftlich umzusetzen.
Nicht alle der Betroffenen teilten diese Einsicht und versuchten, eine dominierende Funktion  genau zwischen Vertrieb und Produktion zu verhindern. Mit der Einrichtung des Auftragszentrums änderte sich die Organisationsstruktur.

 

Das Führungs-Team

 

Als Team bezeichnet man eine Gruppe von Fachkräften, welche unter Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen - vorzugsweise der Stärken jedes einzelnen Teammitgliedes - gemeinsam an der Lösung von Aufgaben arbeitet.


Wichtigste Voraussetzung für ein erfolgreiches Team ist ein talentierter Teammoderator, der effektiv mit den Stärken und äußerst geschickt mit den Schwächen der Teammitglieder umzugehen versteht. Er muss gekonnt für den zielgerichteten Ausgleich der Stärken, Schwächen, Ängste und Temperamente sorgen. Dabei müssen die Kompetenz-, Akzeptanz- und Profilierungsprobleme stets so ausgeglichen werden, dass sie dem gemeinsamen Ziel nicht schaden. 

 

Teamleader

 

Sicher keine leichte Aufgabe für einen Mann, der so wenig Glück bei der Auswahl seines Führungsteams hatte, wie Dr. Freund. Genau dieses Glück muss man aber haben, wenn man bei der Auswahl von Führungskräften primär auf persönliche Autoritätsprobleme achteten muss und glaubt, innerhalb des eigenen Fachspektrums über dem Wissensstand eines jeden Ressortleiters stehen zu müssen.

 

Bei einem technisch vorgebildeten Teamleader steht die Ansicht im Vordergrund, Schwächen der technischen Ressortleiter jederzeit persönlich ausgleichen zu können. Nebulöser muss bei einem Techniker oder Naturwissenschaftler allerdings das Auswahlverfahren für kaufmännisch und kaufmännisch-technisch tätige Positionen ablaufen. Es ist ja hinlänglich bekannt, dass jeder akademisch vorgebildete Mitarbeiter so einfache Dinge, wie Einkaufen, Verkaufen sowie logistische und materialwirtschaftliche Abläufe - weil logisch - jederzeit zu beherrschen glaubt.
Wie gravierend dies sein kann, möchte ich an einem Beispiel erläutern. 

 

Wenn ein ausschließlich technisch vorgebildeter Leiter eines Werkes, einer Teileinheit oder auch nur eines Geschäftsgebietes persönlich weltweit in Verkaufsmissionen unterwegs ist, muss das entweder mit unbefriedigenden Leistungen des Verkaufsleiters und dessen Mannschaft, mit eigenen, wesentlich besseren Verbindungen, mit vermeintlich größerem Verhandlungsgeschick oder lediglich mit bisher unerfüllten Reisewünschen zusammenhängen. Wenn sich dann Erkenntnisse aus diesen Reisen prompt in Strategiepapieren mit dem Hinweis wiederfinden, dass sich die erforderlichen Bemühungen frühestens in zwei bis drei Jahren auszahlen werden, überkommen den ertragsdenkenden Kaufmann leise Zweifel gegenüber diesen meist uneffizienten, ja beinahe unrentablen Missionen.


Welche Führungskraft hat sich jemals ernsthaft Gedanken über die eigene Wirkung und das Licht der Mission auf talentierte, geschulte Einkäufer gemacht? Wer hat jemals die Rentabilität bzw. den vertretbaren Aufwand für solch schleppende Bemühungen nachgerechnet?
Die Devise, "Ich kümmere mich um diese wichtige Angelegenheit lieber selbst, damit ich beruhigt sein kann und mir der Vorwurf erspart bleibt, ich hätte mich nicht persönlich um Zukunftsmärkte gekümmert", ist Ausdruck einer tief empfundenen fachlichen Inkompetenz gegenüber Teammitgliedern bis hin zum heimlichen Eingeständnis personeller Fehlbesetzungen.
Die Unart, permanent Projekte, wichtige Kunden oder deren Bedarfsfälle, Produktionsmethoden und viele andere Dinge mehr zur Chefsache zu erklären, weisen in die gleiche Richtung.
Auf der anderen Seite ist es vor diesem Hintergrund beinahe ein grotesker Entschluss, einen nur lückenhaft mit der kundenspezifischen Technologie und Metallurgie vertrauten Produktionsleiter in ihm völlig fremde Sprach- und Kulturkreise zu entsenden. Wer löten will, braucht Anwendungsberatung, jedoch weniger einen Gesprächspartner, der mit der Stanztechnik von Lotformteilen vertraut ist. Die wahren Gründe für einen derartigen Reiseauftrag müssen anderer Natur sein und blieben das Geheimnis unseres Teamleaders, der Ihnen in der nachfolgenden authentischen Schilderung der Ereignisse als Dr. Freund immer vertrauter werden wird.
Es sei mir noch der Hinweis auf die ihn umgebende Aura gestattet. Es handelt sich hier um den intellektuellen Junggesellentyp Mitte Fünfzig mit satirisch-listiger bis zynisch-hinterlistiger Art, der mutlos wirkt ohne feige zu sein, der meistens systematisch-unverbindlich bleibt, aber die sich den Mitarbeitern öffnenden Freiräume im unpassendsten Moment beschneidet, der Vertraulichkeit erzeugt, ohne der daraus erwachsenden Erwartung gerecht zu werden und der Kläffer braucht, um im passenden Moment selbst zu beißen. Es fällt auf, dass sein Name in letzter Konsequenz im Widerspruch zu seiner Art und Ausstrahlung steht.

 

Der Vertriebsleiter

 

Kommen wir zum nächsten Teammitglied, der "Diva" der Führungsmannschaft, dem Vertriebsleiter Heger. Sein Werdegang steht für Sinn und Unsinn der Förderprogramme großer Unternehmen. Nach einer kaufmännischen Lehre und einem kurzen Gastspiel in einer Einkaufsabteilung des Konzerns zog es ihn für etliche Jahre nach Südafrika, um in der dortigen Vertretung kundenbetreuerisch tätig zu sein. Anschließend wechselte er nach Japan, wo ihn Dr. Freund "entdeckte" und verpflichtete. Eineinhalb Jahrzehnte genoss er als Kundenbetreuer und Kontaktperson fast aller Konzern- und Beteiligungsgesellschaften die große Distanz zu den Produktionsstätten, um fern vom Druck der Tagesnotwendigkeiten und des Ertragsdenkens Prioritäten ausschließlich für seine Klientel  zu setzen. Fehlendes unternehmerisches Talent und mangelndes Gespür für das maximal Machbare prägten Leistung und Können. Als ich damals erfuhr, dass Heger Verkaufsleiter werden sollte, teilte ich unserem Teamleader sofort meine Bedenken mit. Damals wurden meine Bedenken aber als Unkenrufe abgetan, da meine Einschätzung der Person Hegers auf Zeiträumen aufbaute, die fast 15 Jahre zurücklagen.
Wie sehr sollte ich aber recht behalten!

 

Während der 4 Jahre seines Wirkens überdeckte er mangelndes Können und Talent mit weltmännisch vorgetragener Arroganz. Es störte ihn nie, dass wichtige Mess- und Steuergrößen wie Auftragsbestand, Auftragseingang und Umsatz nicht miteinander korrespondierten und er gab sich stets mit einer Pseudo-Datentransparenz zufrieden. Freie Produktionskapazitäten ideenreich auszulasten hätte Fertigungskenntnisse und eine fundamentierte Ausbildung erfordert.
Innovativ und kreativ, ja ein Antriebsmotor für die Entwicklung und den Ausbau des Geschäftes war er nie und er scheute sich nicht, Gebiete, auf denen er erfolglos war, für tot zu erklären.
Heger´s menschliche Ausstrahlung entsprach der eines Oberkellners, und sein Nutzen für das Unternehmen war sehr begrenzt.


Bei vielen Kunden, speziell bei den Einkäufern, hinterließ er den Eindruck des "Mannes mit der Angst des Tormannes vor dem Elfmeter". Er galt unter Einkäufern als argumentativ gut formbar. Ertragsdenken verursachte bei ihm Unwohlsein und für die Aktivitäten, die er hätte auslösen müssen, fehlte ihm Können, Talent und Ideenreichtum. Er war permanent überfordert. Smalltalk in allen Lebenslagen gepaart mit weitgereistem Businesskauderwelsch machen halt aus einem Kundenbetreuer noch lange keinen Verkaufsleiter!

 

Der Produktionsleiter

 

Produktionsleiter Kaiser, der mit großer Fachkompetenz auf einem winzigen Detailgebiet des Produktspektrums ausgestattet war, hatte anscheinend nach Meinung der Unternehmensführung alle wichtige Eigenschaften für diese Position. Rigoroses, kompromissloses und unsoziales Vorgehen auf allen Gebieten war sein Markenzeichen. Er war der Typ, der aus jeder Situation Kapital schlug und eigene Schwächen mit autoritärem Gehabe und erschreckender Brutalität gegenüber der Mannschaft überdeckte. Für den Teamleiter war er eindeutig der Mann für´s Grobe, dessen fachliche Mängel im Gegenzug  von ihm höchstpersönlich ausgeglichen wurden. Dass Kaiser dies nicht störte, bewies in meinen Augen seine Charakterschwäche und eine bedenkliche Persönlichkeitsstruktur. Die Gewaltherrschaft übten die Meister und Vorarbeiter aus, ohne die die Mannschaft nicht unter der Knute zu halten wäre.

 

Leiter der Entwicklung

 

Wohltuend ehrlich und anständig nahm sich dagegen Dr. Wanderer, der Leiter der Entwicklung aus. Er selbst sah sich mehr als Fertigungsoptimierer und technischer Kundenberater, denn - entwickelt wurde seit Jahren fast nichts mehr und in der Fertigung musste fehlendes metallurgisches und verformungstechnisches Basiswissen adaptiert werden.


Das Arbeitsgebiet unseres Unternehmens war damals kundenseitig nie in hochkarätige Produktentwicklungen eingebunden und befand sich stets in der unbefriedigenden Situation, bereits bestehende Qualitäten nachahmen zu müssen, ohne die tatsächlichen technischen Anforderungen zu kennen. Dr. Wanderer bewegte sich in diesem Spannungsfeld sehr neutral und wich allen Angriffen geschickt aus, indem er die unvermeidlichen Konflikte thematisch versachlichte. Seine besondere Vorliebe galt dem Aufbau eines Datennetzes und der Verbesserung der Information aller Bereiche. Er stützte sich dabei auf einige wenige PC-Freaks, die seit Jahren an der Behebung der gravierenden Informationsmängel und der Beschleunigung der Antwortzeiten arbeiteten.

 

Leiter der Qualitätssicherung

 

Das Teammitglied der Runde, das mit dem größten Teamgeist ausgestattet war, war der Leiter der Qualitätssicherung, Ingenieur Winter. In hohem Maße mit Pflichtbewusstsein, Leistungsbereitschaft, Korrektheit und Kompromissbereitschaft ausgestattet gelang es ihm, sachlich und emotionslos zu regeln, zu kontrollieren, zu korrigieren und damit zu verbessern. Dass er hierbei oft dem Team persönliche Empfindungen und Bedürfnisse unterordnete, wurde von einem Teil des Teams als Schwäche ausgelegt und meist rigoros ausgenutzt. Im Bestreben, Kosten für fehlerhafte Einheiten zu senken und die Qualität der Produkte abseits der Teamarbeit zu stabilisieren war er ein sehr wichtiger Faktor. Leider verstand es Winter nicht, Erfolge so zu präsentieren, dass sie allen Teammitgliedern bewusst waren. Möglicherweise fürchtete er den rauen Gegenwind aus der Produktion, wenn man sich dort seines Erfolgsrezeptes bewusst werden würde.

 

Leiter des Auftragszentrums

 

Meine Person erwähne ich nur wegen der Vollständigkeit. Wie eingangs schon erwähnt, oblag mir die Leitung des Auftragszentrums und ich sah mich als das wohl schwierigste und selbstkritischste Teammitglied an, das überzeugen wollte ohne Wenn und Aber.

 

 

Die Analyse

 

Während des ganzen Oktobers war ich noch in die Jahresabschlussarbeiten eingebunden, da die Materialwirtschaft weiterhin zu meinen Aufgaben gehörte. So verschob sich der Startpunkt meiner Mission um einen Monat, der mir bei der Bilanz der Fortschritte später noch fehlen sollte.

Zunächst musste eine einrichtungstechnisch funktionale und arbeitstechnisch sinnvolle Ausstattung beschafft werden. Hiermit hatte ich die wenigsten Probleme, schließlich gehörte das ja  viele Jahre lang zu meinen Aufgaben. Etwas problematischer war die personelle Ausstattung, die auf einigen Positionen eher eine Erblast, als eine Wunschmannschaft war. Meine Tätigkeit begann mit der Bestandsaufnahme in der Arbeitsvorbereitung und dem operativen Teil der Materialwirtschaft.


Der Ausdruck "Erblast" mag hart klingen und bedarf einiger Erklärungen. Als das personelle Paket für das Auftragszentrum geschnürt wurde, war meine Grundbedingung, mich in einer Ebene mit der Vertriebs- und Produktionsleitung zu befinden.
Ursprünglich sollte das Auftragszentrum dem Produktionsleiter unterstellt sein. Es gelang mir jedoch, die Notwendigkeit einer unabhängigen Pufferfunktion zur Umsetzung logistisch-wirtschaftlicher Abläufe zu verdeutlichen. Dr. Freund sah diese Funktion ebenfalls als Schlüssel zum Erfolg an. Der Produktionsleiter bewies erstmals, dass er die Chance nicht erkannt hatte, als er für meine Aufgabe ein personelles Paket mit seiner Einschätzung nach innerlich gekündigten, leistungsschwachen, konservativen und unbequemen Mitarbeitern schnürte. Im Hinblick auf meine bekannt fortschrittliche und vornehmlich datengestützte Arbeitsweise wahrlich eine Erblast. Doch hier sollte ich noch erstaunliche Erneuerungen und Leistungssteigerungen erleben. Bereits nach kurzer Zeit erkannte ich das Ausmaß der Desorganisation und den Mangel an Basisdaten für eine ertragsorientierte, zielgerichtete Umsetzung der vorgegebenen Strategie und der pauschal gesetzten Ziele.
Darüber hinaus ermittelte ich ohne große Schwierigkeiten die Grundfehler im Aufbau der Auftragsdurchlaufsimulation, die auch nach 2-jähriger Praxis keinen akzeptablen Gebrauchswert hatte. Der Aufbau vernetzter Informationsstrukturen auf Datenbankbasis zur Bewältigung der anspruchsvollen und vielschichtigen Aufgabenstellung erschien mir ebenso zwingend geboten, wie das Einrichten einer EDV-gestützten Disposition. Diesen Arbeiten gab ich absoluten Vorrang, da der Misserfolg bei Fortsetzung der bisherigen Arbeitsweise vorprogrammiert gewesen wäre. Ähnlich war es um die Auftragsdurchlaufsimulation bestellt. Es berührte mich sehr negativ, dass mein direktester Mitarbeiter bis zu diesem Zeitpunkt täglich nach fast dreistündiger Pflege der Simulationsdaten ein völlig unbefriedigendes Ergebnis in Form einer falschen und nicht einmal im Ansatz brauchbaren Aussage kritiklos und mit einem Achselzucken hinnahm.

Die EDV-Daten des Vertriebes und der Auftragsbearbeitung, welche als Planungshilfsmittel unersetzlich sind, befanden sich ebenfalls in einem völlig desolaten Zustand und entsprachen auswertetechnisch bestenfalls Textverarbeitungsansprüchen. Auswerteprogramme über den Listgenerator lähmten die EDV-Anlage zu den Hauptbelastungszeiten. Es bestand der dringende Bedarf, die EDV-Daten PC-technisch aufzubereiten, um effizientere Auswertungen bei gleichzeitiger Entlastung der EDV-Anlage zu ermöglichen.


Bei näherer Untersuchung der termingerechten und wirtschaftlichen Umsetzung von Auftragsverpflichtungen erkannte ich schnell den Eigensteuerungscharakter der Produktion, welche sich nicht an der Auftragsplanung, sondern meistens an einem von der Führung losgelösten pseudo-unternehmerischen Prioritätsdenken orientierte. Mit dem Aufbrechen dieser verkrusteten Strukturen, die jeden Erfolg verhinderten, begann die Konfrontation und der offene Widerstand der Produktion und letztendlich der Arbeitsgebietsleitung.


Verbesserungen bedeuten Veränderungen und auf Veränderungen reagierten einige der Betroffenen natur- gemäß ablehnend. Handelte es sich um Korrekturen erst kürzlich, jedoch unzureichend durchgeführter Optimierungen, führte dies generell zu Prestigeduellen.
Für ein Arrangement mit den bisher wenig erfolgreichen Initiatoren des Widerstandes gab es stets einen zu engen, für mich nicht akzeptablen Spielraum. Es ist eine Frage der Intelligenz, wie lange man die Position des ideenlosen Verhinderers hält und den Widerstand organisiert. Ich genoss bis zu einem gewissen Grad das aus heutiger Sicht fragwürdige Wohlwollen meines Vorgesetzten, der mich als analytisch denkenden und konsequent vorgehenden Pragmatiker schätzte. Jeder hätte erwartet, dass den dringend gebotenen Verbesserungen jede Unterstützung seitens der Führung gegolten hätte - das Gegenteil war der Fall! Stets wurde Dr. Freund ins Boot der Verhinderer gezogen, da er die von mir aufgedeckten Potentiale meist selbst federführend geschaffen hatte oder die Missstände kritiklos mittrug. Die Verhinderer konnten ihm immer wieder einreden, seine Autorität und Kompetenz sei gefährdet. So kann ich nach Analyse der Ausgangssituation und der Erfahrungen der ersten vier Wochen mit der Feststellung abschließen, dass ich völlig alleingestellt operieren, überzeugen, verändern und Personal sowie Abläufe neu aufbauen musste.

 

 

Der Übergang

 

Der 1. Oktober wäre mein erster Arbeitstag im neuen Job gewesen, wenn da nicht der Jahresabschluss und die fehlenden neuen Möbel gewesen wären. Das seit einiger Zeit etwas gespannte Verhältnis zu meiner Einkaufsmannschaft wurde jetzt noch etwas angespannter, weil ich mein Büro nicht räumte. Schließlich trappelte meine Nachfolgerin bereits beträchtlich mit den Hufen und konnte es gar nicht erwarten, das Geschehen an sich zu reißen. Mit großer Ruhe und Gelassenheit leitete ich die Aufgaben und Zuständigkeiten in dem Maße über, in dem ich auch in die neue Funktion wechselte. In den drei Wochen der Überleitung musste ich zu meinem größten Erstaunen feststellen, dass es mir leicht fiel, mich von meiner bisherigen Funktion zu trennen - ja, dass eine große Last von meinen Schultern abzugleiten schien.

 

Die Abnabelung

 

Es lag an den Frauen, die mir über ein Jahr lang den Nerv mit Reizthemen geraubt hatten, dass ich leichten Herzens ging. Besonders mein Zögling, den ich so lange aufgebaut hatte, entwickelte sich menschlich sehr bedenklich und neigte verstärkt zu profilneurotischen Reaktionen. So betrieb sie als Gruppenleiterin die Vertreibung meiner ältesten Mitarbeiterin. Da diese sich wegen der Bevorzugung meines Zöglinges zurückgesetzt fühlte, nutzte sie das natürliche Spannungsfeld während des Aufbaues meiner Nachfolgerin aus und gleichzeitig deren jugendliche Naivität, um mich gegen meinen Zögling aufzubringen. So inszenierte sie Konflikte und stellte Fallen, die auch prompt zuschlugen. Selbst das Einschalten des Betriebsrates wegen vermeintlich zu großen Leistungsdruckes war für sie kein Tabu. Alle Aktionen mündeten in eine allmähliche Entfremdung und in eine Lernblockade. Irgendwann glaubte dann das Ei, schlauer als das Huhn zu sein. Es stieg in mir der Wunsch auf, meiner Nachfolgerin mögen später all die Schwierigkeiten widerfahren, die sie mir im letzten Jahr unseres direkten Zusammenarbeitens bereitet hatte. Auf diese Art fiel mir die Abnabelung wesentlich leichter.


Narrenhände oder Bösewichter hatten bereits am 1. Oktober mein Namensschild von der Tür entfernt, was in mir ein Gefühl tiefen Unbehagens auslöste. War man insgeheim froh, mich möglichst bald los zu sein? Bis heute habe ich auf diese Frage keine plausible Antwort erhalten!

 

Denklabor

 

Ende Oktober waren die Möbel endlich da und die Maler hatten mein neues Büro hergerichtet. Nun ging die Sache schnell. Innerhalb von zwei Tagen hatte ich mein neues Büro bezogen. Die vorhandene Schrankwand, die mir zur Verfügung stand, wusch ich gründlich aus, damit ich das Gefühl neuer Möbel und damit eigentlich eines neuen und in jeder Beziehung sauberen Anfanges hatte. Das Auftragszentrum bestand aus einer verketteten Schreibtischkombination für zwei Personen mit PC-Arbeitsplätzen, einem Druckertisch sowie einer Besprechungsecke für 6 Personen, welche durch einen niedrigen verglasten Raumteiler abgetrennt war. Es herrschten die Farben Hellgrau und Eiche natur vor, welche mit sehr vielen Pflanzen und Bildern kombiniert eine gepflegte Atmosphäre ausstrahlten. Den Raum bezeichnete ich provokativ als "Denklabor".

 

Trennung

 

Abschied vom Einkauf nahm ich, indem ich meine Mitarbeiterinnen abends zum Essen in ein gemütliches Lokal einlud. Die Atmosphäre unseres privaten Zusammenseins war gestört. Irgendwie spürte ich, dass sich die drei Frauen einerseits darauf freuten, eine eigene männerbereinigte Abteilungswelt aufzubauen, andererseits jedoch aber mit der neuen Struktur auch Probleme erwarteten.


Wegen meines unverhofften Entschlusses zur beruflichen Veränderung innerhalb des Hauses war die bereits vorher von der Geschäftsleitung beschlossene Verkleinerung des Einkaufes anders verlaufen, als befürchtet. Meine älteste und immer schwerer zu führende Mitarbeiterin, welche bereits in eine andere Einkaufsabteilung des Konzerns wechseln sollte, konnte jetzt plötzlich bleiben! Das war für meine noch recht junge Nachfolgerin eine schwere Hypothek - auch das war uns allen an diesem Abend bewusst.


Das Abschiedsgeschenk fiel recht bescheiden aus, genügte jedoch den Anforderungen an das Ereignis. Als wir auseinander gingen, ahnten wir noch nicht, dass unsere Wege noch einmal zusammenführen sollten.

 

Die neue Mannschaft

 

Die neue Mannschaft und die schwere Hypothek der Misswirtschaft der Produktion und des Vertriebes, sie bestimmten von nun an mein Interesse. Zunächst befasste ich mich mit Lauer, dem Leiter der Arbeitsvorbereitung und Wächter, dem Leiter der Materialverwaltung.

Mit Wächter arbeitete ich schon sehr lange zusammen und wir duzten uns. Trotzdem blieb eine gute Distanz zwischen uns, weil wir jeweils die Stärken des Anderen respektierten und Achtung vor den bisherigen Arbeitsergebnissen hatten. Anders war es mit Lauer, der gerne zwischen sich und anderen Menschen eine deutliche Distanz ließ. Ihn hielt ich für einen erfahrenen Produktionsmann, der sich aber eher als Mahner präsentierte, als als Mensch, der die Erfahrung für richtungsweisende Veränderungen nutzte. Durchsetzungsvermögen war nie seine Stärke gewesen.

 

Mit Beiden - dem extravertierten, selbstbewussten Dynamiker und dem introvertierten "Bedenkenträger" führte ich mein erstes gemeinsames Gespräch, bei dem ich meine Vorstellungen präsentierte und beide über die Art der Führung des AZ-Teams aufklärte. Sie hatten das Gefühl, ihre Tagesarbeit unverändert weiterführen zu können, da ich erst einmal eine Bestandsaufnahme zur Erarbeitung einer Strategie machen wollte. Beide sagten mir jede fachliche Unterstützung zu, die sie mir auch während unserer gesamten Zusammenarbeit bereitwillig gaben. Vielleicht hatten sie auch meinen Ausführungen entnommen, dass sich meine Ideen zur Gesundung des Geschäftsgebietes nicht mit ihrer unmittelbaren Tagesarbeit befassten. Meine Stoßrichtung galt dem Schaffen von Transparenz, von effektiven Steuerungsmitteln und der Harmonisierung der Logistikkette - das hatten sie hoffentlich erkannt. Aus der Tatsache, dass Lauer mein neuer Zimmergenosse war, ergaben sich keine Schwierigkeiten. Wächter war eigentlich ganz froh, dass es Lauer getroffen hatte. So konnte er davon ausgehen, dass seine bisherige Arbeitsweise zunächst unverändert blieb.

 

Der Rest des Teams bestand aus Wächters und Lauers Mitarbeitern. Stellvertreter Wächters war Rothemund, ein gelernter Werkzeugmacher und Mann vom Fach, wenn es um Metallverarbeitung ging. Die Aufgabe beider Männer bestand darin, Edelmetalle und Metalle hoher Reinheit sowie besonders teure Metalle zu verwalten und anhand der auf den Arbeitspapieren ausgewiesenen Produktionsmengen und Legierungszusammensetzungen Metallmengen zum Schmelzen zusammenzustellen. "Einwiegen" hieß der Vorgang, der größte rechnerische und wiegetechnische Sorgfalt erforderte, zumal mit metallischen Reinheiten von 99,999 Prozent und reiner gearbeitet wurde und die Legierungstoleranzen wegen der hochkarätigen Anwendung in der Elektronik besonders eng waren. Beim Umgang mit Edelmetallen über mehrere Fertigungsschritte hinweg ist es erforderlich, den jeweiligen Produktionsmann vom Schmelzer bis zum Stanzer bei Ausgabe des Edelmetalles zu belasten und nach Ablieferung des Teilarbeitsergebnisses wieder zu entlasten. Dadurch erhält man den Überblick über fertigungstechnische Materialverluste und man grenzt die Arbeitsschritte der Werker edelmetallabrechnungs-technisch gegeneinander ab.

 

Sütterlinschrift kontra EDV

 

Wächter und Rothemund führten für alle Metallbewegungen handgeschriebene Bücher und es wunderte mich, dass sie sich die Freiheit nahmen, Sütterlinschrift nicht mehr zu benutzen. Im Zeitalter der elektronischen Datenverarbeitung war diese Arbeitsweise ein Unding. Schließlich wurde die Buchführung stets mit dem einfachen Suchen nach Fehlmengen begründet, was eigentlich mit fortschrittlicheren Arbeitsmitteln besser zu bewältigen gewesen wäre.


Der Materialverwaltung war Frau Sutter als Springerin zugeordnet - eine äußerst stille und duldsame Mitarbeiterin mit allerdings begrenzter Einsatzmöglichkeit. Alle drei Personen waren ein Garant für höchste Genauigkeit und Zuverlässigkeit. Mein erster Kontakt mit dem Team der Materialverwaltung wollte Wächter nutzen, um seinen Leuten vorzuführen, dass ihr neuer Vorgesetzter sicher Probleme mit dem Errechnen von Einwaagen hätte. Schließlich rühmte er sich bei jeder Gelegenheit dieser hohen Kunst und unterstrich damit, wie unentbehrlich dies für das Geschäft sei. Er bat mich, die benötigten Edelmetallmengen unter Einbeziehung einer Legierungsrestmenge zu errechnen. Unter süffisant grinsenden Blicken der Beteiligten erfragte ich die Kokillenmaße um die Zielrauminhalte und damit die Anzahl der Abgüsse auszurechnen. Diese Überlegung schien ihnen überflüssig, denn man stellte stets eine weitere Kokille bereit, um die Übermengen aufzufangen. Der Rest war reines Prozentrechnen im Hundert und kein Problem. Das läppische Rechenwerk beeindruckte sie gehörig und ich war ihrer Akzeptanz sicher.

Lauers Mannschaft bestand aus Frau Rosenbauer und Frau Garcia, welche für die Bereitstellung der Arbeitspapiere und die Terminüberwachung in der Produktion zuständig waren.
Frau Rosenbauer, welche liebevoll "Rosi" genannt wurde, war ursprünglich Gruppenleiterin des Inlands-Vertriebes, musste jedoch ihren Platz nach Übernahme der Vertriebsleitung durch Heger räumen. Innerhalb des Vertriebes besaß sie die kaufmännisch stärkste Gruppe. Ihre vornehmlich auf zwischenmenschlicher Basis aufgebauten Kundenkontakte waren sehr wertvoll. Seit vielen Jahren galt es allgemein als Erfolgsrezept unseres Geschäftes, enge partnerschaftliche Bindungen mit den Kunden und Lieferanten zu pflegen. Gutes Einvernehmen zwischen den Verhandlungspartnern war oft gepaart mit recht persönlichen Aufmerksamkeiten, die das Geschäft positiv beeinflussten. Gegen Frau Rosenbauer war Herr Heger bei vielen großen Firmen ein Nichts. Heger war dieser Zustand unerträglich und er setzte auf emotionsfreie Leistungsvergleiche und absoluten Preiskampf. Damit waren die Würfel gefallen und sie fiel der Fehlbesetzung Heger mit einem von Heger recht schäbig eingefädelten Verdrängungsszenario zum Opfer.


Menschlich enttäuscht, innerlich gekündigt und frustriert nahm sie eine Tätigkeit in der Arbeitsvorbereitung an, obwohl ihr diese Arbeit gar nicht lag. Das absolute Gegenteil war Frau Garcia, eine feurige, stolze Spanierin, welche wegen ihres Vornamens Dolores "Loli" gerufen wurde. Sie war die gute Seele des alten Betriebsbüros, das inzwischen aufgelöst war und sie war mit allen Wassern gewaschen. Ihr Temperament war nur schwer zu zügeln. Recht und Unrecht führten - von ihr erlebt - zu enormen Gefühlsbewegungen. Das sollte was werden!

 

Schlüsselgespräche

 

Ein Gespräch mit Dr. Freund und Produktionsleiter Kaiser gehörte ebenfalls zum Übergang. Es fand in ruhiger und freundlicher Atmosphäre statt, schließlich ließ sich Kaiser überall als der Mann feiern, der mich in privaten Gesprächen zur Übernahme der schwierigen Aufgabe überredet habe. Er verwies in diesem Zusammenhang gern auf ein "Schlüsselgespräch", das in meinem Garten stattgefunden haben soll und Dr. Freund nahm unser Einvernehmen als gutes Zeichen für das Gelingen der Mission. Dieser Version widersprach ich vehement, denn ich fühlte mich keinesfalls überredet oder angeworben. Auch empfand ich Kaiser nicht als Freund, sondern als wenig erfolgreichen Verursacher eines Missstandes. Ich gab zu verstehen, dass ich meine Aufgabe im Harmonisieren der Faktoren Fertigungskapazität, Material-, Produkt- und Auftragsbestand unter Kosten- und Ertragsgesichtspunkten sehe und gab spaßig-ernst zum Besten, dass der, der dieses Kunststück optimal beherrsche, eigentlich der wahre Boss sei.


Heute weiß ich, dass dieser Schlüsselsatz alle weiteren Geschehnisse beeinflusste. Ihr Kommentar war, ich solle mich erst einmal einarbeiten und mit dem nötigen Wissen versorgen.
Beide hatten allerdings keine Vorstellung von der von mir geplanten Vorgehensweise und ahnten auch nicht, wie sehr ich mich in die Aufgabe stürzen würde. Sonst hätten sie nicht so eindringlich darauf hingewiesen, dass es gelte, alle Schwachstellen aufzuspüren und - wenn möglich - zu beseitigen. Sie glaubten offensichtlich, dass die Schwachstellensuche vor ihnen selbst Halt machen würde. Es war von den obligatorischen 100 Tagen die Rede, die jeder neue Mitarbeiter bekommen würde, ehe es ernst werde. Es sei höchste Zeit, das lange geplante Auftragszentrum einzurichten, damit endlich mehr Termintreue erreicht werde. Es war zu spüren, dass der Wunsch nach Verbesserung zwar von der Befürchtung überdeckt war, ich könne gravierende Schwachstellen aufdecken, doch mein bekannter Arbeitsstil und mein Ruf sollte aus Kaiser´s Sicht der Bestätigung dienen, dass inzwischen das Größtmaß an Optimierung in der Fertigung erreicht war und meine Stoßrichtung der Vertrieb sei. Derart motiviert sollte ich mit vollem Schwung loslegen - und das tat ich auch

 

 

Diagnose: "Saustall"

 

Ob bei kreativer Aufbauarbeit oder bei verwaltender Beschäftigung, Führungsaufgabe oder administrativer Funktion - die Kombination Mensch und Arbeitsplatz beeinflusst wesentlich die Arbeitsergebnisse. Im kaufmännischen und im kaufmännisch-technischen Bereich mit Kunden- und Lieferantenkontakten, aber auch in Funktionen mit starker interner Kommunikation wirkt sich ein individuell gestalteter Arbeitsplatz positiv aus. Mir war es stets ein Grundbedürfnis, das persönliche Umfeld so zu gestalten, dass sich meine Gesprächspartner wohl fühlten. Das richtige Mix an Pflanzen, persönlichen Gegenständen, Art und Ausstrahlung der Bilder ergänzend zu Form und Funktionalität von Möbel und Ausrüstung muss zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Auch die Lichtführung spielt eine große Rolle. Dass man hierbei gelegentlich auch tief in die eigene Tasche greifen muss, versteht sich von selbst.


Mein neuer Arbeitsraum gab trotz neuem hellgrauem Grundanstrich und der sechs Meter langen und drei Meter hohen Fensterfront in jalousiebewehrter Südlage noch nicht viel her. Ein im Raum befindlicher mannshoher Philodenthron mit entsetzlich langen Luftwurzeln hatte auch schon bessere Tage gesehen, denn man hatte ihn zwei Jahre lang glatt vergessen. Aus einer abgeteilten Ecke des Flures, welche zeitweise als Telex- und Kopierecke fungiert hatte, entfernte ich den inzwischen funktionslosen Raumteiler aus halb hohen verglasten Elementen, um ihn mit neuen Ergänzungsteilen zu einer abgeschirmten Besprechungsecke zu komplettieren. Ein großer Teil meiner Zeitgenossen hatte zwar räumlich und ausstattungsmäßig gleiche Bedürfnisse, nur - stets auf Kosten der Firma und ohne persönlichen Einsatz. Ich hielt zum Beispiel das Aufhängen eines Bildes oder die räumliche Anordnung eines Möbelstückes für einen wichtigen Vorgang, der mein Wohlgefühl beeinflusste. Am Ende derartiger Bemühungen steht dann meist ein individuell gestalteter Raum, der eine unverwechselbare Handschrift trägt und auch etwas über die darin arbeitenden Menschen aussagt.


Während meiner Raumgestaltungsmaßnahmen kam allmählich der Zeitpunkt, meinen Zimmergenossen einzubeziehen. Zu meinem Erstaunen hatte er weder Wünsche, noch spezielle Bedürfnisse. Er hatte nur den Wunsch, dass er ein Poster aufhängen dürfe, an dem er sehr hing. Das Landschaftsmotiv strahlte Ruhe aus und es passte auch gut zu den übrigen Bildern. Wir einigten uns darauf, dass das Poster gerahmt wird. Der Rahmen kostete rund achtzig Mark und er bezahlte ihn aus eigener Tasche - quasi als Eintrittspreis. Trotz dieses Wermutstropfens genoss auch er die gelungene Atmosphäre des Raumes.


Als Leiter der Arbeitsvorbereitung karrte er große Mengen Ordner und Arbeitsunterlagen heran, die in den Schrankwänden verstaut werden mussten. Viele Ordner beinhalteten Aufzeichnungen über den Aufbau der acs-Auftragsdurchlaufsimulation, dem Kernstück der Machbarkeitsprüfung der Liefertermine. Es dauerte Wochen, bis ich herausfand, dass der üble Geruch, den wir allmorgendlich antrafen, von diesen alten Akten herrührte.

 

Vom Simulieren...

 

Mit dem Simulationsprogramm befasste ich mich zuerst, schien es doch der Schlüssel zu meiner neuen Tätigkeit zu sein. Schon über zwei Jahre dauerte der Aufbau der Belastungsstrukturen für die  Produkte und es waren bisher neben Dr. Freund und Lauer auch Kaiser und ein Teil seiner Leute eingebunden. Die Software war auf dem PC Lauer´s, einem 386er mit 25 MHz installiert, der über einen zusätzlichen Einbaustreamer verfügte.


Täglich erfolgte eine Datenübertragungsroutine, bei der alle neuen oder geänderten Auftragsdatensätze von der EDV in das Simulationsprogramm übertragen und erledigte Aufträge gelöscht wurden. Begleitet wurde diese Aktion von Fehlerprotokollen und Änderungshinweisen, die abgearbeitet werden mussten. Lauer verbrachte täglich, wie schon erwähnt, fast drei Stunden mit dieser Routine einschließlich der Datensicherung.


Der krönende Abschluss war der tägliche "Belastungslauf", bei dem alle eingelasteten Daten in Kapazitätseinheiten umgewandelt wurden. Beim anschließenden Begutachten der Belastungsprofile stellten wir fest, dass enorme terminliche Rückstände existierten, ohne eine exakte Aussage treffen zu können, wo es wirklich klemmte. Grund dafür war, dass die erledigten Arbeitsgänge nicht rückgemeldet wurden und eine Korrektur erst dann stattfand, wenn der Auftrag vollständig erledigt war. Wegen zahlreicher Ausnahmeregelungen und fehlender Belastungsstrukturen für neue Produkte fehlten weitere Kapazitätspakete.
Kaum hatte ich die Zusammenhänge und Abhängigkeiten erkannt, hatte ich für Lauer´s Arbeitsweise kein Verständnis mehr. Konnte es wirklich sein, dass er so viel Zeit für eine völlig unbrauchbare Aussage verplemperte?


Seine Erklärungen, wie "wir müssen das machen, weil der Dr. Freund großen Wert darauf legt und schon so viel Arbeit hineingesteckt hat...." oder "ich weiß auch nicht, was ich noch machen soll - manchmal hat es ja auch schon gestimmt...", waren reichlich absurd. Wesentlich brauchbarer erschien mir der Spruch "wir müssen halt wieder mal einen kompletten Datenübertrag machen!" Es war das Allheilmittel des Dr. Freund, wenn die Ergebnisse nicht mehr plausibel waren.
Also machten wir einen kompletten Datenübertrag, mit dem der gesamte alte Datenbestand überspielt wurde.

 

Datenbestände...

 

Damit fingen die Probleme erst richtig an. Wir stellten jetzt fest, dass der EDV-Auftragsbestand völlig ungepflegt war. Hinzu kam, dass die EDV physisch gelöschte und logisch gelöschte Positionen unterschied und verwaltete. Der Datentransfer bescherte uns eine Unmenge kleinster kapazitätsmäßig eingelasteter Restmengen, auf die kein Mensch mehr wartete. Es waren physisch nicht gelöschte Restmengen ausgelieferter Positionen. Rückstände, die fast zwei Jahre alt waren, führten uns auf die Spur unerledigter Abrufaufträge und Geister(dis)positionen. Der Auftragsbestand der EDV summierte sich auf über sechs Millionen Mark auf, obwohl der tatsächliche Auftragsbestand knapp drei Millionen Mark betrug. Hiervon waren nur Positionen im Gesamtwert von ca. 0,8 Mio. DM tatsächlich terminiert, der Rest bestand aus Rahmenaufträgen mit teilweise unrealistischen Mengen. Auch war ein Teil der abgelaufenen Rahmenaufträge noch in voller Höhe im Auftragsbestand, weil man für die Abrufe stets neue Positionen gebildet und die Restmenge nicht korrigiert hatte. Das führte im Jahresverlauf gegenüber dem Auftragseingang zu einer Verdoppelung des Auftragsbestandes.


Auftragseingang und Umsatz drifteten natürlich täglich weiter auseinander. Was sich hier als Diagnose des Auftragsbestandes liest, war das Ergebnis langwieriger Datensanierungsarbeiten, für die sich der Vertriebsleiter aus völlig unverständlichen Gründen nicht so recht zuständig fühlte.
Den korrekten Auftragsbestand benötigte ich zur kapazitätsmäßigen Beruhigung der Vorfertigung und zur Erstellung von Jahresplanungen für Rohstoffe und Halbfabrikate - letztendlich auch zur Realisierung eines aktiven Bestandsmanagements.


Fehlerhafte Datenbestände zogen sich wie ein Pilz über und durch alle Datenträger. Selbst die mit viel Fleiß und Aufwand geführten manuellen Karteien in Vertrieb und Produktion waren nicht zu gebrauchen, geschweige denn, auswertbar. Langsam kam ich an einem Punkt an, an dem ich vor der Entscheidung stand, ebenfalls weiterzuwursteln wie alle anderen Wursteler, oder mit dem Aufbau vernünftiger neuer Strukturen zu beginnen. Aber es waren ja nicht nur die Strukturen des Auftragsbestandes und die der Auftragsdurchlaufsimulation neu aufzubauen. 

 

Die Terminverfolgung und die Arbeitspapiere waren ebenfalls unvorteilhaft aufgebaut und außerdem nicht mit der Auftragsdurchlaufsimulation synchron. Vorfertigung und Endbearbeitung orientierten sich bei der wöchentlichen Planung vor Ort am Endtermin minus X Wochen, während die Durchlaufsimulation periodengenau terminierte. Ein zuverlässiges und zwingendes Fertigmeldesystem gab es nicht und Woche für Woche waren die gleichen Engpassstellen in Verzug. Ermittelt wurde dieser Tatbestand in den allwöchentlichen "Rückstandsbesprechungen", bei denen anhand der nach Lieferwochen zusammengefassten Positionen praktisch vom Ausliefertermin aus rückwärts terminiert wurde.

 

Zweifel

 

Planung und Steuerung hatten somit nichts mehr miteinander zu tun und wurden zudem noch von unterschiedlichen Stellen wahrgenommen. "Steuerung und Planung gehören in eine Hand", so lautete jedoch die tiefgreifende Erkenntnis und Grundregel der acs-Philosophie. Doch die Terminhoheit war in anderen Händen und Dr. Freund dachte nicht daran, sie in meine Hand zu legen. Er zweifelte auch meine fortlaufend neuen Erkenntnisse an, was mich beim Ausmaß der aufgelaufenen Missstände aber auch nicht mehr wunderte.

Vier Wochen waren vergangen und es musste etwas passieren!


Die Fertigungsleitung konfrontierte mich unentwegt mit einem Nebenkriegsschauplatz, der die Arbeitsvorbereitung betraf. Es ging um Checklisten für Produkte, in denen alle Produktdaten und Fertigungsvorschriften enthalten waren, die zur spezifikationsgerechten Herstellung der Produkte unerlässlich waren. Sie waren aber auch Erfassungsbelege für IST-Werte, die jedem Arbeitspapier beigefügt waren. Zweifellos waren die Checklisten hervorragende Arbeitsmittel, wenn sie fehlerfrei waren. Doch genau da lag der Haken! Viele Exemplare waren fehlerhaft und wurden deshalb von den Werkern vor Ort korrigiert. Die manuellen Korrekturen kamen jedoch nicht zur Arbeitsvorbereitung zurück, sodass Folgeaufträge erneut fehlerhaft gestartet wurden. Organisatorisch gab es keinen Weg, der alleine im Einflussbereich der AV gelegen hätte, um diesen Missstand abzustellen. Es kamen höchstens 40% der Checklisten ausgefüllt zurück. Diesen Missstand konnte nur Winter abstellen. Doch Winter verweigerte sich offen und verlangte pausenlos "Beweise" für meine Erkenntnisse. Natürlich gab es für jeden Fall die passende Ausnahmesituation... . Es wäre zu mühsam, hier alle Ausnahmesituationen aufzulisten, die die Ursache für die niedrige Quote waren. Wichtig war nur - und daran bestand kein Zweifel - dass dieses Arbeitsmittel optimiert werden musste.


"Lauer sei der richtige Mann", war die Empfehlung Winter´s, "Lauer sei schließlich viele Jahre Fertigungsleiter gewesen "und "seine Leute könnten diese Arbeit nicht auch noch machen...."
Winter sprach von den Checklisten, als handele es sich um seine eigene Erfindung, die von anderen Stellen nicht richtig gepflegt, ja sabotiert wurde. Dabei sind Checklisten ein alter Hut, der gelegentlich Fertigungseinheiten ohne klassische Arbeitspapiere empfohlen wird. Er wusste genau, welche Detailarbeit im Aufbau von klassischen Arbeitspapieren oder Checklisten steckte. Mühsame Detailarbeit war jedoch nicht Winter´s Stärke. Lauer war mit seinen Aufgaben aber auch völlig ausgelastet und konnte diese Arbeit nicht zusätzlich übernehmen.

 

Die Datenstruktur der Checklisten, die aus einer Lose-Blatt-Sammlung handschriftlicher und loser Excel-Datenblätter bestand, betrachtete ich als datentechnisch unüberlegt aufgebaute Hilfskrücke. Der Aufbau erfolgte unsystematisch und teilweise durch nicht kompetente Personen. Während des Aufbaues des Qualitätssicherungssystemes war mir bereits aufgefallen, dass die Umläufe der Kundenspezifikationen lediglich auf die Frage an die Fachabteilungen abzielten, ob Einwände bestehen oder Probleme bei der Herstellung der Produkte zu erwarten sind. Mit der Spezifikationsfreigabe waren diese Punkte zwar abgehakt, die Fachabteilungen hatten sich jedoch nicht geäußert, wie zu verfahren sei. Zur Angebotserstellung mussten die für eine Vorkalkulation erforderlichen Fertigungsschritte zusammengetragen werden. Hier lehnte man sich an Produktvarianten an, oft jedoch, ohne die Besonderheiten der neuen Spezifikation zu berücksichtigen. Wie hilfreich und qualitätssichernd wären hier vernetzte multifunktionale Checklisten-Datenbestände!


Da in den Checklisten auch exakte Daten, Maße und Toleranzen für die benötigten Halbfabrikate geführt wurden, bot sich damit auch eine hervorragende Gelegenheit, auch Daten für die Fertigungssteuerung abzuzweigen. Verknüpft mit dem Auftragsbestand würde man periodengenaue Dispositionen erhalten. Es gab nur einen Weg - die Checklisten mussten in eine Datenbank.
Dr. Freund hatte sich bereits mit WinAccess, einer leistungsfähigen Datenbank unter Windows, befasst und empfahl den Aufbau in diesem Format. Zunächst passte es mir gar nicht, dass ich von Open Access auf WinAccess umsteigen sollte, denn ich hatte große Erfahrung in diesem Datenbanksystem und befürchtete, noch einmal völlig neu anfangen zu müssen. Die Installation der Software im Netzwerk zog sich dahin, da genau zu diesem Zeitpunkt eine neue Version auf den Markt gekommen war. Bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wies Winter auf das noch offene Problem hin und er versuchte verstärkt, auch Ausschuss auf die Missstände zurückzuführen. Ich war gezwungen, diesen Dingen nun ebenfalls nachzugehen und führte ausnahmslos den Beweis für das Versagen vor Ort. So entdeckte ich das ganze Ausmaß der Misswirtschaft in der Produktion und die Ideenlosigkeit, mit der selbst einfachste Dinge in den Sand gesetzt und wertvolle Materialien vernichtet wurden.

 

Mit Dr. Freund war über diese Erkenntnisse nicht zu reden. Er zweifelte an jeder Sache, die ich ihm vortrug und er meinte oft "so blöd könne man ja nicht sein, um solche Fehler zu machen" und er ließ die Vermutung im Raum stehen, ich hätte entweder die Zusammenhänge nicht verstanden, oder ich würde bewusst übertreiben. Trotzdem ging er meinen Informationen nach, wenn auch mit kleiner zeitlicher Verzögerung. Anschließend fand er sich meistens im Auftragszentrum ein, um Lauer und mir die Richtigkeit der Fakten kopfschüttelnd zu bestätigen.

 

Beschimpfung

 

Meine Besuche im Betriebsbüro der Stanzerei, das gleichzeitig als Vorzimmer Winter´s fungierte, verliefen immer gespannter und gereizter. Es war deutlich zu spüren, dass Winter eine Front gegen mich aufgemacht und Meister und Vorarbeiter vergattert hatte. Die Truppe spielte sich als Bodyguard Winter´s auf und zeichnete sich durch primitives klassenkämpferisches Geschwätz aus. So wurde ich als "Mensch mit nutzloser Funktion" beschimpft, "den man mit durchziehen müsse". "Leute, wie Sie, wurden in meiner alten Firma nach Hause geschickt, weil schließlich wir die Arbeit gemacht und das Geld verdient haben", war einer der kernigsten Sätze eines spätpubertären Flegels, den Winter zu seinem "Meister der Stanzerei" gemacht hatte. Die provokante Verweigerungshaltung und das dummdreiste, flegelhafte Benehmen blieben im Beisein Winter´s ungeahndet - je erhielt sogar noch Zustimmung.

 

Eskalation

 

Der Zeitpunkt einer Aussprache zwischen Dr. Freund und Winter war gekommen. In der Aussprache verhielt sich Dr. Freund von Anfang an parteiisch. Winter bemängelte meine generelle Vorgehensweise und Fragetechnik, bei der seine Leute nicht wüssten, was ich mit den Daten mache. Erst nach ein paar Tagen würde ich dann "die Katze aus dem Sack lassen" und die Daten würden gegen seine Leute eingesetzt werden. Das führe zu Verunsicherungen und zur aggressiven Grundhaltung seiner Mannschaft. Auf meinen Einwand, er kenne doch meinen Auftrag und müsse meine Bemühungen unterstützen, quittierte er mit der Feststellung, meine Aktionen richteten sich letztendlich gegen ihn. Heger habe ihm auch schon geraten, er solle sich vorsehen, ich würde an seinem Stuhl sägen.

 

Nun brachte ich den aktuellen Zustand auf den Punkt. Ich stellte fest, dass ich auf allen Gebieten des Vertriebes und der Fertigung einschließlich der Arbeitsvorbereitung auf einen "beispiellosen Saustall" gestoßen sei und nun auch noch feststellen müsse, wie unqualifiziert die Mitarbeiterführung und der Umgang innerhalb der gleichen Führungsebene sei. Dr. Freund meinte, ihm wäre das klar, doch wir müssten das Beste daraus machen. Ich solle eine Informationsveranstaltung vorbereiten, auf der ich einem größeren Personenkreis die Ergebnisse und die daraus abzuleitenden Maßnahmen erläutern solle. In der Frage der Terminhoheit kamen wir keinen Schritt weiter, weil Winter die Terminverantwortung besaß und nicht bereit war, sich von ihr zu trennen. Dr. Freund befürchtete den passiven Widerstand der Fertigung und riet, mit diesem Schritt noch zu warten.

 

Taktik

 

Ich entschied mich zu einer Taktik der kleinen Schritte und nahm mir zur Erhöhung der Schlagkraft die Verbesserung der datentechnischen Basis und die Steuerung der Vorfertigung über Lageraufträge vor. Mit der auftragsanonymen Fertigung der Rahmenauftragsverpflichtungen traf ich den Nerv der Fertigung - die Überstunden. Sie waren fest eingerechneter Einkommensbestandteil der Maschinenführer, der Vorarbeiter und der Meister.

 

Wie kam es zu diesen Überstunden und - warum waren Lageraufträge die richtige Antwort?

 

Im Bestreben, Kunden und Vertretungen zur vollsten Zufriedenheit zu bedienen, nahm der Vertrieb die bedarfsgerechte Versorgung der Kunden allzu wörtlich und ließ sich bei vielen Produkten verteilt über 12 Monate auf teilweise 30 bis 60 Teillieferungen ein. Die optimalen Fertigungslose, welche sich vornehmlich von den Standzeiten der Werkzeuge ableiten ließen, entsprachen dagegen bis zu 10 Teilmengen. Die zweite Steuergröße war das jeweils optimale Fertigungslos des Halbfabrikates. Hier konnten Bedarfe mehrerer Endprodukte systematisch zusammengefasst werden. Durch geschicktes Kombinieren von Bandbreiten konnten die Ausbeutequoten erhöht werden.


Warum wurde das bisher nicht gemacht?


Hauptgrund war der permanente Terminverzug, in dem sich die Endbearbeitung befand, wobei dann der Schwanz mit den Hund wedeln musste. Termine der Vorfertigung orientierten sich an den hausgemachten Problemen der Stanzerei und der Folgeschritte. Zur Lagerhaltung - welche wegen der vermeintlich hohen gebundenen Werte als nicht sinnvoll angesehen wurde - kam es wegen der Terminsituation sowieso nicht, da die Fertigungskapazitäten mit permanenten Sonderaktionen zersplittert wurden. Die oberflächlich gesehen logische Konsequenz waren Überstunden. Organisatorisch und abwicklungstechnisch war der Ausdruck Saustall zutreffend. Kaufmännisch gesehen war die Bevorratungsproblematik mangelhaft durchdacht, denn Produkte mit Materialeinsatzfaktor >6 bis 10 binden weitaus weniger Kapital, als Halbfabrikate. Halbfabrikate, welche zum ständigen Grundstock gehören, haben in Schlüsselabmessungen bevorratet einen größeren wirtschaftlichen Nutzen als die Rücklaufmaterialien im Rohzustand. Der Schlüssel zum Erfolg lag also in der terminlichen Beruhigung der gesamten Fertigung über eine gut organisierte wirtschaftliche Vorfertigung und in der kostengünstigsten Bevorratung der Halbfabrikate und Produkte.

 

 

Arbeitsweisen

 

Bei Gründung unseres Unternehmens mussten kaufmännisch und technisch tätige Mitarbeiter und ihre Arbeitsweisen miteinander verschmelzen. Diese Arbeitsweisen wurden allerdings in einigen Bereichen innerhalb mehr als 20 Jahren nur unwesentlich verändert.
Was haben diese Arbeitsweisen und die dahinterstehenden Organisationsmittel gebracht?
Viele Jahre war man davon überzeugt, sich personalintensive Arbeitsmittel leisten zu können. Selbst im Umgang mit den Einsatzstoffen war regelmäßig der geflügelte Satz "wir verdienen uns mit unseren Produkten dumm und dämlich" zu hören.
Die Abläufe waren personalintensiv, weil sie ausschließlich manuell und nach dem Negerprinzip aufgebaut waren.

 

Manuelle Karteien und elektronische Schreibautomaten

 

Ein Heer von Fachkräften, Assistenten und Assistentinnen, Abwicklungs- und Hilfskräften waren damit beschäftigt, manuelle Aufzeichnungen über Angebote, Aufträge und Lieferungen zu führen, die zwar die interne Überwachung des jeweiligen Bereiches, jedoch nicht eine übergreifende Transparenz zuließen. Persönliches fachbezogenes Wissen wurde mehr zum Zwecke der Rechtfertigung und der Abgrenzung aufgezeichnet, als zur langfristigen Sicherung firmenwichtigen Gedankengutes. Einige Bereiche wurden zudem regelrecht von ihren Leitern informell abgeschottet.


Mit zunehmend schlechterem Geschäftergebnis fand zwar noch kein genereller Umdenkprozess statt, aber ein Nachdenkprozess über mögliche Alternativen. Eine dieser Alternativen stellte die verstärkte Nutzung der EDV dar. Wir verfügten über ein Nixdorf-System COMET TOP, von dem alle Module bis auf das Programm zur Fertigungssteuerung im Gebrauch waren. Doch was hatten sich die Initiatoren nur beim Aufbau der Datenstrukturen gedacht? Die Artikelstammdaten waren wie die eines Schreibautomaten aufgebaut. Jede Text- und Sprachvariante in jeder nur denkbaren Mengen- und Preiseinheit waren eigenständige Artikel. Von vielen Produkten gab es bis zu 6 Artikelnummern, ohne dass sich die Produkte physisch voneinander unterschieden. Da die Artikelbezeichnungen nicht standardisiert waren, war es äußerst schwer, gleiche Produkte fertigungstechnisch zusammenzufassen. Als alles beherrschende Krücke stand zu diesem Zweck ein händisch einzugebender Matchcode zur Verfügung, für dessen Kreation ein Arbeitswissenschaftler satte zwanzigtausend Mark kassiert hatte. Die Handhabungsanweisung war so verzwickt und variantenreich aufgebaut, dass Fehldeutungen und Fehleingaben einige Artikel nach einmaliger Verwendung für immer im Artikelstamm verschwinden ließen. Der sprechende Teil der Artikelnummer war schon eher zu gebrauchen, hatte aber ebenfalls so seine Tücken. Als ich meine neue Tätigkeit aufnahm, war der Artikelstamm auf über 4000 Produktvarianten angewachsen, obwohl wir mit rund 170 Artikeln über 90% des Geschäftes abwickelten. Sämtliche Auswerteprogramme der EDV liefen auf Listgeneratorbasis, wodurch natürlich bei Auswertungen ständig alle 4000 Artikel zeitraubend ausgewertet wurden. Dieser Datenaufbau verhinderte oder erschwerte die Deckung meines Informationsbedarfes.
Zeitgemäße, PC-gestützte Arbeitsabläufe auf Datenbankbasis beschränkten sich auf wenige Anwendungsbereiche und waren nicht verknüpft. Kernstück des vertrieblichen Schaffens war eine manuell geführte Artikel- und Kundenkartei, in die jeder Auftrag eingetragen wurde. Auswertungen erfolgen natürlich ebenfalls manuell. Zum Erhalt einer lückenlosen Dokumentation wurden die Daten halbjährlich vor Löschung des Auftrags-Datenbestandes ausgedruckt.
Obwohl wir in allen Ebenen erkannt hatten, dass wir in unserem Geschäft nur mit transparenten Abläufen, guten Informationsstrukturen und kurzen Entscheidungswegen schnellem, kosten- und terminorientiertem Agieren eine echte Überlebenschance hatten, pflegten wir noch Karteien, Bücher und Listen, anstelle intelligentere Medien zu nutzen.

 

Mentale Einstellung des datenschaffenden Personals 

 

Ein wichtiger Faktor stellte die mentale Einstellung des datenschaffenden Personals dar, die die Qualität des Datenbestandes wesentlich beeinflusst.
Unsere Aufgabe war es, das Bewusstsein für qualitativ gute Datenbestände zu wecken und zu fördern. Die Angst vor der Preisgabe persönlichen Wissens musste gemindert und der Blick für den Nutzen übergreifender Datentransparenz geschärft werden. Wie begreift der einzelne Mitarbeiter aber, welche Daten, welcher Aufbau und welche Genauigkeit nötig ist? Hier gibt es nur den Weg der Schulung qualifizierter Mitarbeiter und das Training der Fähigkeit, in übergreifenden Zusammenhängen denken zu können. Problemlos zu bedienende Datenerfassungsmasken ohne Aufklärung über die im Hintergrund ablaufenden Operationen halten dumm und sind nicht die Lösung. 

 

Matchcode als Schlüssel zur Transparenz

 

Gut vorbereitet leitete ich die Überarbeitung des Artikelstammes ein. Die zweizeiligen Artikelbezeichnungen wurden standardisiert, wobei Legierung, deren Reinheit, Geometrie und Abmessung gerastert wurden. Kundenspezifische Texte wurden in den in der EDV vorgesehenen Programmteilen hinterlegt. Von den 4000 Artikeln sperrte ich fast 2400 ungängige Artikel. Der Weg zum maschinell erstellten Matchcode war frei und ich kippte den alten Matchcode. Mit dem neuen Matchcode fanden sich nun lückenlos alle Varianten, deren Reduzierung das Ziel war. Was sich hier an durchgeführten Maßnahmen mühelos aufzählen lässt, war ein Arbeitspaket von weit über 200 Stunden. Die neue Datentransparenz ermöglichte mir zwar das Zusammenführen aller Produktvarianten, aber das "Aufräumen" war wegen der vielen aktiven Aufträge, die mit den Artikeln verknüpft waren, mit riesigen Problemen verbunden. Selbst Löschvormerkungen und das Sperren für die Neuerfassung von Aufträgen war problematisch. Eine ganz besondere Variante stellten "Lageraufträge" dar, weil für sie erledigte Positionen regulärer Aufträge benutzt wurden. Sie führten nicht nur zu einer deutlichen Erhöhung des EDV-Auftragsbestandes, sie blockierten oft auch Artikelduplikate, die bereinigt werden sollten. Nach jeder neuen Erkenntnis stieß ich auf auch auf neue Hindernisse und ich fühlte mich ständig von Fesseln und Fußangeln umgeben, die mich am Erreichen meines Zieles hinderten.


Als hilfsbereiter Mitstreiter bewährte sich in dieser Phase der Leiter unserer EDV - Herr Walter, der mir eine Downloadmöglichkeit von Nixdorf auf PC strickte, mit deren Hilfe ich den Artikelstamm, die Debitoren und den laufenden Auftragsbestand in WinAccess aufbereiten konnte. Diese Transparenz führte zu weiteren bahnbrechenden Erkenntnissen.
Schwelgte man bis zu diesem Zeitpunkt in einem Auftragsbestand zwischen 4,5 und 6 Mio. DM Formkosten, was einem 4-5-Monats-Auftragsbestand entsprach, so waren es nach dem Aussondern der verkappten Lageraufträge, der abgelaufenen Jahreskontrakte, der längst erledigten Konsignationsaufträge und der physisch nicht gelöschten Restmengen nur noch ca. 2,5 Mio. DM. Von diesem Volumen konnte man bestenfalls ca. 800 TDM als terminierten Auftragsbestand greifen, wovon ca. 400 TDM länger als 4 Wochen terminiert waren. Es war somit klar, dass der Mindestumsatz von 1,3 Mio. DM im Monat überwiegend durch kurzfristig erteilte Abrufe und das Tagesgeschäft erzielt werden konnte.
Wie kam es zu diesen ursprünglich falschen Zahlen ?

 

Falsche Zahlen

 

Ich erwähnte bereits, dass Auftragsbestand, Auftragseingang und Umsatz im Laufe des Jahres nie miteinander korrespondierten, man nie eine Erklärung dafür gefunden hatte und man das Ganze als eine Art Mysterium hinnahm. 

 

Meine Auswertungen machten deutlich, dass Jahreskontrakte mit dem Gesamtauftragswert unter Position 1 eines Auftrages geführt und für jeden Abruf eine weitere Position eingefügt wurde, ohne die Restmenge zu reduzieren. Am Ende des Jahres hatte sich der Auftragswert nahezu verdoppelt. Hinzu kam, dass in vielen Fällen die abgelaufenen Jahreskontrakte - eben die bewusste Position 1 - im Auftragsbestand verblieb, da diese Position sich nicht erledigte und eine Löschung oft nicht erfolgte. Längst abgelaufene Konsignations-Jahresaufträge verblieben ebenfalls noch lange im System, da manuelle Lieferscheine erstellt und viele Rechnungen ohne den aktuellen Bezug ausgestellt wurden. Auf diese Weise schmolz der Auftragsbestand wie Schnee in der Sonne. Heger fand das zwar sehr interessant, doch machte er geltend, er könne sich nicht um alles kümmern.


Zusammen mit einigen motivierten Vertriebsmitarbeitern bereinigten wir die gröbsten Fehler und ich erarbeitete neue Abläufe, um die EDV besser zu nutzen. Das Modul LAWI (Lagerwirtschaft) bot gute Voraussetzungen für die Abwicklung der Lageraufträge und es galt, die Jahreskontrakte über Lageraufträge abzudecken. Anstelle der bisherigen Verdoppelung des Auftragsbestandes konnte man jetzt die Lageraufträge gegen die Kontrakte und die terminierten Abrufe gegen Vormerkungen verrechnen - wie es LAWI vorsieht.

 

Unfug mit der "Preissimulation" (Kalkulation)

 

Zum Thema Artikelvielfalt konnte ich die erstaunliche Feststellung machen, dass monatlich 30-40 neue Artikel nur zu Kalkulationszwecken eingerichtet wurden, da ein "selbstgestricktes" Kalkulationsprogramm nur auf einer vorhandenen Artikelstruktur aufbauen konnte. Die Erfolgsquote der Angebotstätigkeit lag bei ca. 10% und die überwiegende Zahl der "neuen" Artikel waren damit Dateileichen.


Um den Unfug abzustellen wurde das Programm dahingehend geändert, dass man auch mit ähnlichen Artikelstrukturen eröffnen und mit der virtuellen Anpassung kalkulieren konnte. Als Empfehlung wurden einige Artikel genannt, die man benutzen sollte. Unglücklicherweise war im Vertrieb teilweise nicht bekannt, dass jedem Artikel ein Kostenträger und jedem Kostenträger ein bestimmter Gemeinkostensatz zugeordnet war. Bei den empfohlenen "Spielartikeln" waren unglücklicherweise die niedrigsten Gemeinkostensätze hinterlegt, was monatelang zu völlig irrwitzigen Kalkulationen führte.


Aus allen Missständen kristallisierte sich immer wieder ein Grundübel heraus: Viele Mitarbeiter - allen voran der Vertriebsleiter - kannten die Abläufe nicht, die hinter den ach so schönen Bildschirmmasken lagen. Wen wundert es dann noch, dass die Verkäufer generell auf völlig andere Marktpreise stießen, als sie die Kalkulationen rechtfertigten. Mal wurde verschleudert, mal wurde mit Kampfpreisen unbewusst ein gutes Geschäft abgeschlossen, mal verlor man wichtige Aufträge. Keiner kannte so richtig die Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren aber - man ruhte sich auf dem sicheren Auftragspolster aus.


Die neue Wahrheit schmerzte sehr und Schuld daran war - genau - ich, da ich die Abläufe, Ursachen und Wirkung transparent gemacht hatte. Dann waren da noch die Kalkulationseckwerte Materialeinsatz, Fertigungsstunden, Analysen- und Werkzeugkosten, um die die Verkäufer munter mit der Arbeitsvorbereitung feilschten, um die Kalkulationen in die Nähe der Marktpreise zu bringen. Es wurde so lange kalkuliert, bis man innerhalb des persönlichen Spielraumes lag, der eine Rücksprache mit dem Vertriebsleiter erübrigte. Diese Feilscherei unterband ich und machte aus dem Kalkulieren das, was es sein soll - eine Kostenbewusstmachung und Basis für erfolgreiche vertriebliche Tätigkeit.

 

 

Bestandsaufnahme nach 3 Monaten

 

 

Nach Ablauf von 3 Monaten ging ich mit meinen gesammelten Erkenntnissen an einen begrenzten Verteilerkreis und hoffte, die so angesprochenen wach zu rütteln. Ich fasste folgende Punkte unter einer Headline zusammen: 

 

Reorganisation der Abläufe

 

Die ersten drei Monate der AZ-Tätigkeit beinhalteten eine umfassende Bestandsaufnahme. Obwohl eine abschließende Beurteilung noch verfrüht ist, möchte ich bereits zu diesem Zeitpunkt die dringend erforderlichen Veränderungen diskutieren und ergänzend zu den bereits eingeleiteten AZ-internen Maßnahmen schnellstens umsetzen.

 

1.   

 

1.1 

 

Angebotsbearbeitung

 

Die technische Klärung der anzubietenden Produkte erfolgt nur teilweise systematisch. Teilklärungen (SPEC-Umläufe) führen nicht generell zu einer abschließenden fachkompetenten Gesamtbeurteilung und "Absegnung" der Angebote. Gleichzeitig fehlen Richtlinien für "Schnellpreis- und Lieferzeitfindungen" um Blitzangebote zu erstellen.

1.2 

 

Kalkulationsdaten sind durch die ungepflegte Werkzeugdatei, teilweise überholte Mengen- und Zeitangaben, leichtfertige Ableitung von Daten bestehender Artikel sowie die Einflussnahme des Vertriebes auf die für eine gewissenhafte Ermittlung der Daten erforderliche Klärungszeit verfälscht oder nur selten belastbar.

1.3 

Die Lieferzeit sowie die Erfüllbarkeit von Rahmenvereinbarungen wird nicht generell vor Vertragsabschluß simuliert bez. geprüft. Das Aufspüren von Lagervorräten, die Klärung derer Verwend- und Verfügbarkeit ist wegen der Vielfalt der gleichen Artikelvarianten sehr erschwert.

1.4 

Vorrätige Mengen und benötigte Kapazitäten für aussichtsreiche und kurzfristig umsetzbare Angebote werden während der Angebotslaufzeit nicht reserviert.

 

2. 

 

2.1 

Auftragserfassung und -pflege

 

Für Aufträge ohne vorangegangene Angebote gelten grundsätzlich ebenfalls die Punkte 1.1 bis 1.3.

2.2 

Die Artikelsystematik ist EDV-technisch zu starr und führt zu einem Anwachsen des Artikelstammes um ca. 30 bis 40 meist unbedeutende Artikel im Monat. Die Klärung, Festlegung und Einrichtung neuer Artikel führt zu Aufwand und Zeitverzögerungen bei der Auftragserfassung und der Erstellung neuer ACS-Strukturen (Auftragsdurchlaufsimulation).

2.3 

Aufträge werden teilweise ohne Auftragsdurchlaufsimulation und ohne Rücksprache mit der Arbeitsvorbereitung und somit oft mit unrealistischen Terminen bestätigt.

2.4 

Die Zahl der Auftragsänderungen ist unverhältnismäßig hoch und führt zu unsinnigen Abwicklungskosten und Folgeaufwand bei allen betroffenen Stellen. Besonders zu beachten sind die Positionsänderungen bei Abruf-Restmengen.

2.5 

Vom Vertrieb werden die Liefertermine in der EDV nicht systematisch aktualisiert. Dies führt zur Störung der Folgeabläufe (ständige Terminrückfragen, fehlerhafte Bedarfsauswertungen für Halbfabrikate und Rohstoffe sowie Abweichungen zum ACS-System). Die Kunden werden lückenhaft und verspätet informiert.

 

3. 

 

3.1 

Auftragszentrum, AV und Materialwirtschaft

 

Die Auftragserfassung in ACS erfolgt von Hand und ist sehr aufwendig, da die EDV-Datenübernahme besonders bei Mengen- und Terminänderungen, Stornierungen, Konsignationslieferungen usw. fehlerhaft war und eine automatische Datenübernahme die situationsgerechte Einplanung verhinderte.

3.2 

Das ACS-System simuliert wegen des über die EDV importierten Datenmülles in Verbindung mit ungepflegten Kapazitätsvorgabedaten immer noch fehlerhaft.

3.3 

Belastbare und vollständige Arbeitsvorratslisten befinden sich in der Versuchsphase und stehen noch nicht zur Verfügung.

3.4 

Die Erstellung der Fertigungsaufträge mit Hilfe des in Nixdorf installierten Hilfsprogrammes ist wegen der ungepflegten Werkzeugdatei, der von ACS und der Realität abweichenden starren Terminstruktur bestenfalls ein Notbehelf und nicht flächendeckend einsetzbar, Für Halbfabrikate, Muster und Artikel der Gruppen 5 und 7 existieren keine vergleichbaren Fertigungspapiere.

3.5 

Die Checklisten sind zur Spezifikationsumsetzung optimal, als Ersatz-Fertigungsbegleitpapiere in Mehrfachausfertigung sehr unzweckmäßig. Die Checklistenpflege und die rechtzeitige Berücksichtigung von Änderungen ist bei überlappenden Fertigungslosen noch nicht gewährleistet. IST-Werte werden lückenhaft ausgefüllt und der Rücklauf nicht systematisch überwacht.

3.6 

Die Prüfung der Verfügbarkeit von Rohstoffen und Halbfabrikaten und die Auslösung von Einwaagen erfolgt oft mit großer Verzögerung.

 

4. 

 

4.1 

Auftragsdurchlauf und Terminüberwachung

 

Halbfabrikatelose werden unsystematisch und ohne EDV-Unterstützung aufgelegt. Auswertungen des Halbfabrikatebedarfes, welche bisher zur Information genutzt werden, führen wegen Punkt 2.5 und 3.4 zu falschen Mengengerüsten. Der Rücklauf von Fertigungsabfällen wird nicht systematisch erfasst und zur Planung herangezogen.

4.2 

Daraus resultieren Mengen-Steuerungsfehler, Terminverzug und terminbedingter Mehraufwand.

4.3 

Die Termine für Fertigungsaufträge führen wegen Punkt 3.4 zur ganz persönlichen Eigensteuerung der Vorfertigung und nach bereits eingetretenem Terminnotstand zur Fremdsteuerung durch die Stanzerei. Hierbei bleiben wirtschaftliche Losgrößenbetrachtungen der Vorfertigung zugunsten der Stanzerei auf der Strecke.

4.4 

Terminbesprechungen führen selten zu vernünftigen Lösungen, jedoch zu 90% zu permanenter Verärgerung der Kunden und zur Überlastung der von den Auswirkungen betroffenen Mitarbeiter. Die permanente "Nebensteuerung" durch Terminretter war bisher der einzige Ausweg aus dem Dilemma, verursacht jedoch hohe Kosten und verhindert die Wirksamkeit systematischer und wirtschaftlicher Abläufe.

4.5 

Die zentrale Aufbewahrung der Auftragsoriginale zunächst in der Vorfertigung und dann in der Stanzerei führt in der Übergabephase vorgefertigter Halbfabrikate-Teilmengen zur Vervielfältigung der Arbeitspapiere und zu fehler- und lückenhaften Dokumentationen sowie zu Papiertourismus mit Maschinenstillstandszeiten.

4.6 

Nach markanten Fertigungsschritten wird die EDV-Auftragsdatei zur übergreifenden Information mit Status-Angaben versehen, die den aktuellen Fertigungsstand widerspiegeln. Ausgenommen sind die auftragsanonym vorgefertigten Halbfabrikate, Produkte und Konsi-Mengen. Der ungenügende Betriebsservice und die mangelnde Einsatzbereitschaft der EDV zu betriebsarmen Zeiten führen zu erheblichen Verzögerungen in den Abläufen und zur Aktualität der Statusinformationen.

 

5.

 

5.1 

Fertigstellung und Auslieferung

 

Bei Fertigstellung erhalten die Arbeitspapiere der Vorfertigung Zeit- und Mengenangaben, die Stanzerei übergibt und dokumentiert generell nur Gewichtsangaben bezüglich der Ausbringung. Das Zählen und somit die Stückzahlbestimmung erfolgt erst nach Teilereinigung, Konfektionierung und Freigabe durch die Qualitätsstelle.

5.2 

Die Produktzugangs-Buchung, die Umbuchung auf Lagerorte und das Führen des Ausgangjournales sind wegen der Vielfalt der Mengeneinheitenvarianten und der festen Gewichtsmengeneinheit des Metall-Gewichtskontos oft um Faktor 100 oder 1000 falsch.

5.3 

Die für die mitzuliefernden Dokumentationen notwendigen Checklisten müssen zeitaufwendig zusammengesucht, oftmals kopiert und mittels eines speziellen "Dokumentationstourismus" zusammengetragen werden. Ein zentraler Aufbewahrungsort in der Nähe von QS oder der Konfektionierung mit gleichzeitiger Überwachung der Vollständigkeit des Rücklaufes fehlt.

5.4 

Der Abruf der Lieferscheine durch die Versandabteilung und die nochmalige Kontrolle der angelieferten Mengen führt zu häufigen Fehlbuchungen (falsche Positionen, falsche Zusammenfassung von Restmengen) und zu Datenmüll, da beim Auslösen des Lieferscheindruckes über das Löschen der Restmengen entschieden wird.

5.5 

Die im Ausgangsjournal gebuchten und fakturierten Verpackungen werden nur virtuell gebucht und wertmäßig zwar systematisch, aber nicht auswertbar fakturiert. Dadurch gehen wertvolle Daten für die Disposition und der Überblick über den auftrags- oder produktbezogenen Anteil der Verpackungskosten verloren.

 

 

Mit diesem Paket war die Basis für die zukünftigen Optimierungsdiskussionen geschaffen.
Natürlich hatte ich für den überwiegenden Teil der Optimierungsschwerpunkte bereits Lösungsalternativen erarbeitet, die ich jedoch noch zurückhielt. 

 

Die Erfahrungen der ersten 3 Monate hatten gezeigt, dass vorskizzierte Lösungsvorschläge Rechfertigungsorgien der Betroffenen auslöste, die immer nach dem gleichen Muster abliefen.

 Zuerst untermauerte man die bisherige Arbeitsweise mit allerlei historischen Details. 

Dann folgte das Zerpflücken der Idee, wobei vornehmlich der Mehraufwand für die neuen Schritte hervorgehoben wurde, ohne den Wegfall entbehrlicher Arbeitsgänge zu erwähnen. Die Mitarbeiter wurden stets als schwerfällig hingestellt, damit die bisherige Arbeitweise gerechtfertigt erschien. Mitdenken - ja, selbst denken - hielt man bei den Mitarbeitern für nahezu unmöglich. So nahm eine kleine Gruppe (die Einäugigen...) das Recht in Anspruch, für alle zu denken. Derart polarisierte Kompetenz ist zwangsläufig mit der Ausübung von Autorität verbunden. Das wiederum verträgt nur sehr schwer Korrekturen von Außen, denn gerade diese "Zwangsautorität", die sich wesentlich von der entgegengebrachten Autorität unterscheidet, wird von der Mannschaft noch mehr infrage gestellt.


Eigentlich hatte ich erwartet, dass meine Denkanstöße zu Optimierungsvorschlägen führen würden, aber nichts geschah, obwohl die Buschtrommeln heftige Diskussionen signalisierten. Diese zielten jedoch auf eine Allianz der Betroffenen gegen mich ab, weil man glaubte, mit einer gemeinsamen Verweigerungshaltung Veränderungen abblocken zu können.


Dr. Freund hielt sich ebenfalls bedeckt, da er in vielen Missständen die eigenen organisatorischen Steuerungsfehler erkannt hatte und sich ebenfalls nicht traute, von "unglücklichen" Entscheidungen oder Veranlassungen abzurücken, ohne einen Autoritätsverlust hinnehmen zu müssen. Kaiser und Heger nährten diese Haltung bei ihm mit ihren eigenen Bedenken und verschafften sich damit wenigstens eine taktische Position, wenn schon die sachlichen Positionen unhaltbar waren.


Lautloses Optimieren, bei dem alle Betroffenen als Sieger oder als Gewinner hervorgehen, das hätte sich Dr. Freund gewünscht. Es wäre seine Aufgabe gewesen, das Team entsprechend anzuleiten. Dabei waren die Veränderungen schon in vollem Gang und wurden im Monatsbericht Dezember 1993 von ihm wie folgt kommentiert:

 

... die Vorarbeiten für die Sanierung des Artikelstammes und die Neustrukturierung der Abläufe für die Bestandsermittlung wurden vorangetrieben...


... das PC-gestützte Überwachungs- und Auswertesystem für Scheidgüter ist aufgebaut und im Netzwerk installiert...


... der starke Auftragseingang zwang zum beschleunigten Aufbau eines Bedarfsermittlungsprogrammes...


... der Dispositionsablauf für gängige Fertigprodukte wurde verbessert. Dadurch soll die verbrauchsorientierte Lagerauftragsfertigung transparent gemacht und Just-in-time besser gesteuert werden...


... der Arbeitsvorrat der EDV ist mit dem Kapazitätsplanungsrechner(acs) weitestgehend abgeglichen, sodass die Simulation als Planungsmittel voll einsatzfähig ist.

 

 

Terminologie und Taktik

 

Während meiner breitgefächerten Aufbau- und Sanierungstätigkeit, die nach meinem Gefühl viel zu langsam voran ging, musste ich in regelmäßigen Abständen zum Fortgang der einzelnen Aktionen Stellung nehmen. Man nennt das "Berichtswesen" und es dient sowohl der exakten Information als auch dem Erstellen einer Stoffsammlung für die Berichte an die nächst höhere Stelle.

 

Meine Monatsberichte bestanden aus Kenndaten der Materialwirtschaft, Veränderungen zum jeweils letzten Monat und einer Vorschau auf die geplanten Optimierungsschwerpunkte der nächsten vier Wochen. Bemühte ich mich anfangs um eine ausschließlich sachliche Berichterstattung, so flossen nun zunehmend auch emotionale Randbemerkungen ein. 

Die Ursachen und Details waren Dr. Freund bestens bekannt, doch er befasste sich nicht mit dem Inhalt der Bemerkungen sondern mit seiner subversiven Auswirkung auf die Streitkultur. Art und Mittel der Auseinandersetzung waren zu Beginn meines Schaffens in der neuen Position noch wesentlich von meiner langjährigen Einkaufstätigkeit geprägt.


In meinem Bericht vom Februar 1994 verwandte ich Formulierungen, die Dr. Freund dazu veranlassten, den Bericht im Original zurückzugeben. Offensichtlich hatte ich mich in der Terminologie vergriffen und diese Art der Rückgabe signalisierte mir: So nicht!!
Mich ärgerte meine ungelenke Wortwahl, die so typisch für emotionale Ausbrüche ist.


Zum Thema Lageraufträge hatte ich bemerkt:

"Die nach dem neuen Dispositionssystem eingeplanten Lageraufträge zur Sicherstellung der wirtschaftlichen und termingerechten Abwicklung von Abrufaufträgen wurden ausgestellt, jedoch von der Produktion nicht ausgeführt. Das Thema ruht, bis das Auftragszentrum von der Produktion unbehindert weiteroptimieren kann. Die Lageraufträge für Rahmenaufträge werden nach Herstellung der Akzeptanz der Maßnahme bei allen beteiligten Personen erneut eingeplant. Wir werden dann endgültig in wirtschaftlichen Losgrößen fertigen können."

 

Die Belastung und Auswirkungen infolge außerordentlich starker Störungen des Tagesgeschäftes durch Terminrettungsaktionen, für die der Vertriebsleiter ein "Krisenmanagement" eingerichtet hatte, kommentierte ich mit:

"Das Auftragszentrum konnte personalgeschwächt die dringend notwendige Aufbauarbeit wegen der starken Einbindung in das "Krisenmanagement" nicht fortführen. Die Auftragsdurchlaufsimulation geriet dadurch erneut in einen nicht belastbaren Zustand und der Aufbau der Halbfabrikatedisposition ruhte."

 

Dr. Freund markierte die hier fett hervorgehobenen Passagen, versah sie mit Fragezeichen und bat um Rücksprache. Diese Gelegenheit nutzte ich nochmals, um den hohen Grad der von der Produktion praktizierten Verweigerung zu reklamieren. Auch wies ich darauf hin, dass der Widerstand von Kaiser höchstpersönlich organisiert und von Drescher nur allzu gern umgesetzt wird, weil es seine Position als Rudelführer der Stanzerei und Möchtegern-Terminator unterstrich. Einsicht war nicht zu erwarten, weil das Eingeständnis falscher Arbeitsweisen die Konsequenz gewesen und das Defizit der von der Mannschaft entgegengebrachten Autorität noch größer geworden wäre.


Eigentlich bestand für Dr. Freund genug Handlungsbedarf zur Harmonisierung, doch er ging dem Konflikt aus dem Weg. Statt dessen bat er mich um Änderungen in der Formulierung meines Berichtes und um mehr Geduld bei der Umsetzung meiner Aktionen. Zur Formulierung "Krisenmanagement" musste er erstaunt feststellen, dass diese von Heger stammte und von mir nur satirisch in der Annahme zitiert worden war, dass Dr. Freund die Hintergründe der völlig überzogenen Aktion kenne. Dem war nicht so und die Dinge waren schnell dargestellt. Auch hier bat er um die Entfernung des Wortes "Krisenmanagement", denn das könne in einem sachlichen Bericht und in diesem Zusammenhang nicht stehen bleiben.

 

Reichlich enttäuscht nahm ich die Korrekturen vor. Erst sehr viel später erkannte ich, dass derart emotionale Bemerkungen und Vorgehensweisen meine Situation und meine Position nur schwächten. Während dieses Gespräches ging ich auch ausführlich auf eine andere "Baustelle" ein, die meiner Meinung nach sehr vordringlich in Angriff genommen werden musste. Kaiser beklagte nämlich zunehmend den Zustand der "Checklisten", jene Produktdatenblätter, aus denen die wichtigsten Informationen für die Herstellung, Prüfung, Dokumentation und Verpackung hervorgingen. Kaiser hielt die Erstellung und Pflege der Papiere für eine Tätigkeit, für die mein Mitarbeiter Lauer bestens geeignet wäre. Lauer - Leiter der Arbeitsvorbereitung - war ursprünglich Fertigungsleiter und Kaiser´s Vorgesetzter gewesen. Nun gefiel sich Kaiser in der umgekehrten Rolle und wollte Lauer demütigen. Das musste ich verhindern, wusste doch jeder Mitarbeiter der Produktion um das Fachwissen - aber auch um das schwache Durchsetzungsvermögen Lauer´s.


Betrachtete man sich die Systematik der Entstehung der Checklisten, so stellte man schnell fest, dass dies nach dem Zufallsprinzip ablief. Gleichzeitig gab es die Prüfung von Kundenspezifikationen, die - wie bereits erwähnt - lediglich in die Einzelfeststellungen mündeten "geht" oder "geht nicht". Was lag also näher, als die Prüfung der Spezifikationen und die Erstellung der Checklisten miteinander zu verbinden? So musste bei jeder Teilprüfung klar festgehalten werden, was wie machbar ist. Dies jedoch lief auf eine arbeitsteilige Arbeitsweise bei der Erstellung der Checklisten hinaus, bei der auch Kaiser kräftig mitarbeiten musste. Das war für Kaiser Grund genug, die Vorgehensweise zu blockieren. Meine Vorschläge und sein Gejammer um die lückenhaften und teilweise falschen Checklisten drehten sich im Kreis. Dr. Freund sollte als gemeinsamer Vorgesetzter den Weg für eine sinnvolle Kooperation ebnen. Auch das war offensichtlich ein nicht realisierbares Anliegen.


Sein Vorschlag war das Bilden einer kleinen Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Qualitätssicherungsleiters. Zunächst wurde das Thema noch einmal vier Wochen verschleppt, weil man keinen gemeinsamen Termin fand. QS-Mann Winter hatte sich inzwischen mit der Materie befasst und hielt meinen Vorschlag für sehr gut umsetzbar. Als sich die Arbeitsgruppe erstmals traf, staunten Winter und ich nicht schlecht, als Kaiser eben dieses Verfahren, das ich seit Wochen versuchte umzusetzen, selbst vorschlug. Erst glaubte ich an Einsicht und Überzeugungsarbeit durch Dr. Freund, dann musste ich feststellen, dass Kaiser die Vorgehensweise mit großer Überzeugung vortrug und uns auf jeden Fall auch überzeugen wollte. War das Taktik oder eine Art Bewusstseinstrübung? Wir waren jedenfalls so verblüfft, dass wir das Verfahren schnell festschrieben. Winter ging in seinem Gesprächsprotokoll sogar so weit, dass er den Vorschlag als Kaiser´s Vorschlag festhielt.
Dr. Freund lobte Kaiser wegen dieser besonders guten Idee und ließ mit keinem Wort den ihm bekannten tatsächlichen Sachverhalt erkennen. Während eines späteren Gespräches empfahl mir Dr. Freund, grundsätzlich so vorzugehen. Wenn es mir gelänge, Winter mit Ideen zu unterwandern und dieser dann die Ideen als seine eigenen vorschlägt, dann kämen wir schneller weiter. Hauptsache sei, die Maßnahmen würden umgesetzt und er wisse, wie es gelaufen sei.
Mit dieser Taktik konnte ich mich nicht anfreunden, denn das hätte bedeutet, den Täter zum Missionar und den tatsächlichen Missionar zum Messdiener zu machen.
Es war schon schlimm genug, dass ich die Verursacher und Verwalter von Missständen taktisch so behandeln sollte, als hätten sie eine Lösung parat, mit der sie mir zeigen könnten, wie vorzugehen sei.
Entsprechend vielfachen Wunsches präsentierte ich meine Liste der Optimierungsvorschläge.

 

Angebotsbearbeitung

Beim Umlauf neuer SPEC´s werden alle relevanten Checklisten, sowie ggf. das Formblatt "Angebotseinholung" ausgefüllt, auch wenn eine Artikelnummer noch nicht eingerichtet ist.
Abmessungsvarianten von Standardartikeln werden die Checklisten des ähnlichsten Artikels bei der Vorklärung zugeordnet.


Die Checklisten sind die Basis für die Angebotsausarbeitung. Herstellschritte und die dazugehörigen Mengen- und Zeitangaben werden vor Angebotsabgabe nochmals gemeinsam geprüft.

Zum Kalkulieren kann die vorhandene OA2-Datenbank reorganisiert und der Datenbestand um die Artikelnummern ergänzt werden, damit sie auch für Nachkalkulationen einsetzbar ist.
Der Angebotspreis kann nach Erstellung des Zusatzprogrammes über die gleiche Datenbank im PC-Netz kalkuliert werden.

Die unter beschriebenen Datenbanken und Programme können mit der in OA3(oder später in WinAccess) eingerichteten Werkzeugdatei und Legierungsdatei ebenso verknüpft werden, wie mit separat pflegbaren Dateien für Stunden- und Gemeinkostensätze. Zusatzinformationen sind über das PC-Netz erhältlich.


Kalkulationen im Sinne der Kostenbewusstmachung müssen unverfälscht sein und die aktuelle Situation widerspiegeln. Das Kalkulieren der Selbstkosten sollte außerhalb des Vertriebes erfolgen und die Anpassung der Verkaufspreise an das durchsetzbare Preisniveau an Aktionspläne zur Realisierung von Gewinnen gekoppelt werden.

Das Auftragszentrum muss zukünftig alle Angebots-Liefertermine mit nennenswerten zu erwartenden Kapazitätsbelastungen gründlich prüfen.

Der neue Matchcode hat bereits das Auffinden von Produktvarianten erleichtert. Die Nutzung der einzurichtenden Datenbanken für Checklisten und der Produktstammdaten im Netz ermöglicht einen exakten papierlosen Vergleich. Zur Bestandsführung werden die Master-Artikel bestimmt, auf denen die Bestände physisch identischer Varianten gebucht werden.

Bestände können in der LAWI reserviert werden. Hierzu muss ein Verfahren festgelegt werden, das exakt regelt, wer wann und wie lange reserviert und die Reservierung wieder umwandelt.
Die Prüfung der Verwendbarkeit ermittelter freier Produktbestände und die Vorführung zur Prüfung durch die Qualitätsstelle sowie die an schließende körperliche Reservierung erfolgt durch die Konfektionierung.

Auftragserfassung und -pflege

Für Aufträge ohne vorangegangene Angebote gelten grundsätzlich ebenfalls die obigen Lösungen. Die Artikelnummersystematik kann Pseudoartikel beinhalten. (Pseudoartikel in Nixdorf = Artikel, welche Produkte eines festgelegten Abmessungsbereiches abdecken und in jeder Mengen- und Preiseinheit bestätigt, geliefert und fakturiert werden können. Im Auftragsbestand und der Historie werden die exakten Abmessungen geführt, sind jedoch in LAWI nicht disponibel)

Für Kleinmengen und Muster gegen Berechnung müssen Pseudoartikel, wie oben beschrieben, eingerichtet werden. Massen-Kleinteile, wie z.B. Lotdrahtringe sollten generell mindestens mit
Preiseinheit 1000 eingerichtet werden.

Die Aufträge werden vom Vertrieb nach erfolgter Vorklärung sofort in Nixdorf eingegeben und positionsweise mit dem Wunschtermin des Kunden in der Schreibweise z.B. 9912 versehen. Die EDV-Abteilung stellt sicher, dass für Positionen mit diesen Terminen keine Auftragspapiere ausgedruckt werden und arbeitet alle Aufträge mit den Terminen zwischen 9901 und 9951 terminlich ab und versieht die Positionen nach Klärung der Liefersituation und Einlastung in LAWI und ACS mit den realisierbaren Terminen.
Der Vertrieb prüft die Auftragsbestätigungen und genehmigt.
Vorteil: Die Positionen werden frühestmöglich eingeplant, Termine auf Machbarkeit geprüft und Bestände rechtzeitig reserviert.

Es ist sinnvoll, innerhalb des Vertriebes bei der Abwicklung der Aufträge einheitlich zu verfahren. Wir müssen Änderungen innerhalb der Positionen nach Möglichkeit reduzieren.
Hinzugefügte Positionen sollten auf den Papieren deutlich gekennzeichnet werden. Ausdrucke kompletter Sätze bei Termin-Änderungen können durch Kopien einfacher Änderungsmeldungen
an den Kunden vermieden werden.


Die zu liefernden Mengen werden unter einer Positionsnummer als Restmenge geführt. Für die Abruflieferungen werden Listen erstellt, die zur Einplanung und Lieferung dienen.
Restmengen unter 9952 müssen belastbar sein, da sie zur Planung der Halbfabrikatmengen dienen.

Die EDV-Datensätze werden terminlich aktualisiert. Die bekannten Abfragemasken und -listen werden um ein Zusatzfeld mit dem ursprünglichen Liefertermin versehen. Der Vertrieb überschreibt diesen Termin, sobald der Kunde dem neuen Termin zugestimmt, oder er diesen selbst geändert hat.
Aus beiden geführten Terminen erstellt die EDV Verzugslisten für alle ><-Termine und bildet je zugesagter Lieferwoche die Summen für Anzahl und Umsatz getrennt nach 5, 7 und 8.
Der Vertrieb arbeitet die neu gemeldeten Verzüge mit den Kunden ab.

 

AZ, Arbeitsvorbereitung und Materialwirtschaft

Die Aufträge müssen weiterhin manuell in acs eingegeben werden. Vorgeschaltet wird eine Routineüberprüfung zur Ermittlung der Verfügbarkeit und Verwendbarkeit von Produkt- Lagerbeständen und nach Auswertung der Stammdatei die Festlegung und Prüfung
der Halbfabrikat- bzw. Rohstoffbestände. Vorrätige freie Produktmengen werden reserviert oder Halbfabrikatmengen auftragsbezogen vorgemerkt. Nach erfolgter Bedarfsermittlung bei den
Halbfabrikaten werden wirtschaftliche und termingerechte Lose aufgelegt und verplant. Somit wird das bisher schon übliche ungeplante Zusammenfassen von Halbfabrikatmengen durch geplantes Produzieren von optimalen Losen abgelöst. Die Lose für die Vorfertigung und die Endbearbeitung werden getrennt in acs eingelastet; folglich beginnen die Strukturen der Endfertigung grundsätzlich mit einer Lagerentnahme Halbfabrikat. 

 

Die Chargenrückverfolgbarkeit wird über die Halbfabrikats-Checklisten sichergestellt.

Die acs-Strukturen werden überarbeitet und Mindest-Belastungszeiten für Kleinmengen festgelegt. Die vorzuhaltende Kapazität wird für 4 Wochen im Voraus zusammen mit den Meistern geplant.


Kurzfristige kapazitätsrelevante Änderungen infolge Sonderterminen, Personal- oder Aggregatausfällen u. ä. werden zusammen mit dem Auftragszentrum geregelt.

 

Die Arbeitsvorratslisten werden nach Entflechtung der unterschiedlichen Strukturen belastbare Steuerungselemente sein. Auftretende Abweichungen vom Arbeitsplan werden dann entsprechend der acs-Philosophie intern gemakelt und führen nicht zwangsläufig zur Verschiebung der Ausliefertermine.

 

Die Trennung der Strukturen in Halbfabrikate und Endprodukte erfordert andere Arbeitspapiere. Die Datenbank, welche eine Artikelstammdatenbank, die Werkzeug-Datenbank und die Elemente-datei umfasst, kann zur Herstellung von Fertigungspapieren, von Materialentnahmescheinen und Zugangsbelegen benutzt werden.
Ergänzt wird diese Datenbank durch die Checklisten- und Kalkulationsdatei, welche miteinander verknüpft werden können.


Wesentliches Steuerelement ist dann die Arbeitsvorratsliste.

Die Checklisten für alle zusammenfassbaren Halbfabrikate werden zusammengefasst.
Strukturen, die sich nicht trennen lassen, bleiben unverändert.


Das Erfassen von IST-Werten muss getrennt von den Checklisten erfolgen. Für Aufträge mit mehreren Teilliefertermin wird nur noch eine Checkliste je Artikel ausgegeben, die IST-Werte vorerst auf noch zu erstellenden Listenformularen gesammelt und nach Erledigung des Auftrages abgelegt.


Wilde Fotokopien von Checklisten und Datenerfassungsblättern sind unzulässig.

Arbeitsvorbereitung, Materialverwaltung und Vertrieb ermitteln bei Einplanung der Fertigungslose (Vormerkungen in LAWI) zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Notwendigkeit und Terminsituation der Dispositionen. Zur Vollständigkeit des Überblickes werden die Kumulierrückläufe in LAWI erfasst und verplant.

 

Auftragsdurchlauf und Terminüberwachung

 

Beginnend mit Hartlot werden die Produkte systematisch in die Halbfabrikate "zerlegt" , Über Vormerkungen in LAWI disponiert, in acs eingeplant und mit neu zu erstellenden Arbeitspapieren


Zug um Zug umgestellt. Die Kumuliermaterialien werden erfasst und sind integraler Bestandteil der Planung. Materialverwaltung und Produktion erarbeiten Schmelz-, Gieß- und Strangpresskampagnen. Somit entstehen kleine handliche Regelkreise. Besondere Disziplin erfordern die wenigen noch verbleibenden Komplettstrukturen. Auch hier muss nach Arbeitsvorratsliste gesteuert werden.
Störungen während der einzelnen Kampagnen sind leichter zu beheben. Die "Legierungslisten" und die Terminangaben für Einzelschritte auf den Arbeitspapieren werden Zug um Zug als Steuerdaten von Bedarfslisten für Halbfabrikate und von Arbeitsvorratslisten abgelöst.

Optimale Losgrößen werden nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten festgelegt und nur im Ausnahmefall von terminlichen Notwendigkeiten beeinträchtigt.

 

"Rückstandsbesprechungen" der bisherigen Art sind aus Sicht des Auftragszentrums nach konsequenter Umsetzung des neuen Konzeptes out.


Das Auftragszentrum wird die Abweichungen der einzelnen Fertigungsabteilungen
vom Arbeitsvorratsplan in Einzelgesprächen harmonisieren.


Oberste Priorität hat die Einhaltung des Endtermines!


Die Gruppen klären sämtliche Terminfragen ausschließlich mit der Arbeitsvorbereitung.
Das Auftragszentrum ist daran interessiert, an Produktionsbesprechungen teilzunehmen, bei denen kapazitätsrelevante Veränderungen erörtert werden.

 

Arbeitspapiere, Checklisten und die geplanten IST-Werterfassungslisten werden getrennt  während der Herstellzeit bei den Meistern aufbewahrt. Die Auftragsoriginale befinden sich bis zur Auslieferung in der Konfektionierung und werden danach dort zusammen mit den Checklisten und IST-Werterfassungslisten abgelegt. Das Vorführen von Lagerbeständen bei der Qualitätssicherung  mit den dazugehörigen Dokumentationen und das Erstellen von Dokumentationen kann dann ebenfalls auf engstem Raum ohne Zeitverschwendung erfolgen.

Die STATUS-Angaben können weiterhin genutzt werden.


Das Auftragszentrum stellt über die tagesgenaue Pflege des acs-Bestandes und die Halbfabrikat-Zugangsbuchungen die erforderliche Transparenz her.


Für die EDV-Anlage muss die 24-Stunden-Bereitschaft eingerichtet werden mit automatisierten Datensicherungsroutinen außerhalb der Geschäftszeiten.

 

Fertigstellung und Auslieferung

 

Es ist zu überdenken, ob bei Dickentoleranzspektren von 20% Materialbeistellungen zum Stanzen sinnvoller in Längen (anstatt Gewichten) erfolgen und über zuverlässige Hubzähler zu Stückzahlangaben vor dem Reinigen und Konfektionieren führen sollten.


Das Wissen um die produzierte Stückzahl kann dann über das Gesamtgewicht der Menge zur Festlegung des Befüllgewichtes führen.


Grundsätzlich muss die "Zehnerprobe" mit Faktor 100 bei Kleinteilen, bei welchen Doppelungen mit bloßem Auge nicht feststellbar sind, infrage gestellt werden.

 

Wie bereits vorgeprüft, ist das parallele Buchen des Ausgangsjournales zusammen mit der Edelmetall-Positionsbuchung möglich.


Sinnvoll ist es jedoch, die mit der Buchung des Ausgangsjournales erfolgende Verpackungserfassung zu ändern.

Wie bereits angeregt, können durch eine zentrale Aufbewahrung der Auftragsdokumente und Checklisten für Endprodukte in der Nähe der Qualitätsstelle und der Konfektionierung kurze und
rationelle Arbeitsabläufe ermöglicht werden.

Die Lieferscheine werden in Zukunft von der Konfektionierung abgerufen und zusammen mit der Ware dem Versand übergeben.


Die Konfektionierung entscheidet über Teil- und Restmengen und löscht ggf. die Restmengen.

Alle gängigen Verpackung sind in der EDV erfasst und können als ordentliche Auftragspositionen geführt werden. Bei Auftragserfassung entsteht so eine automatische Vormerkung und durch die Lieferscheinbuchung eine Verbrauchsbuchung. Das ermöglicht die zuverlässige Bestandsführung und Disposition der Verpackung und die periodengenaue Kostenträgerzuordnung von Verpackungsaufwand und -erlösen.

 

 

Auswirkung des Berichtes

 

Mit diesen Vorschlägen waren einige Herren erst einmal beschäftigt und sie ergingen sich wieder in Rechtfertigungen. Wegen des "drohenden" Urlaubes unseres Teamleaders rannten sie ihm die Bude ein, um einen Aufschub zu erzielen. Natürlich sah er sich wieder einmal genötigt, für "Ruhe an den Fronten" zu sorgen, damit die heile Welt des Arbeitsgebietes wenigstens für 3 Wochen heil blieb.Kurz vor Antritt seines Urlaubes schrieb mir Dr. Freund folgende Zeilen:

 


Lieber Herr Grün,

leider habe ich Sie am vergangenen Freitag nicht mehr sprechen können, so dass ich Ihnen vor meinem Urlaub noch ein paar Zeilen schreiben möchte.

Nachdem von Ihnen inzwischen umfangreiche Vorarbeiten zur Verbesserung unserer Abläufe erarbeitet wurden, tritt die Notwendigkeit zur Umsetzung in die Praxis immer mehr in den Vordergrund. Hierbei gibt es einige Spielregeln zu beachten, um diese Umsetzung insgesamt erfolgreich durchzuführen. Bezüglich der Einhaltung dieser Spielregeln bestehen nach meinem Eindruck bei Ihnen noch einige Defizite im zweckmäßigen Umgang mit dem Umfeld (Bitte dies nur als sachliche Feststellung zu verstehen). Ich möchte Ihnen dabei behilflich sein, diese Defizite im gemeinsamen Interesse so rasch wie möglich zu beseitigen, damit wir die geplanten Verbesserungen zügig und ohne allzu große "innere Reibungsverluste" in die Tat umsetzen können.

 

Daher möchte ich mit Ihnen folgende Vorgehensweise vereinbaren:

 

1. Alle Änderungen, die Sie in unseren organisatorischen Abläufen vornehmen wollen, werden wir zunächst gemeinsam besprechen, um u.a. festzulegen, mit welchen anderen Bereichen die geplanten Änderungen vor deren Einführung zweckmäßigerweise noch abgestimmt werden sollten. Damit soll vermieden werden, dass wichtige Aspekte, die Ihnen ggf. (noch) nicht geläufig sind, übersehen werden, und wir erreichen von vorne herein eine bessere Akzeptanz. Diesem Aspekt messe ich große Bedeutung zu!!


2. Nach einem Gespräch mit Herrn Lauer erscheint es mir sinnvoll, dass Sie ab Anfang März eine 14-tägige Runde einführen mit Teilnehmern aus der Fertigung und dem Vertrieb. In dieser Runde (die durchaus wechselnde Teilnehmer haben kann) soll den Teilnehmern Gelegenheit gegeben werden, sich über den aktuellen Stand der vom Auftragszentrum behandelten Aufgabenstellungen zu informieren und vor allem auch "Sorgen und Fragen" im Zusammenhang mit den organisatorischen Abläufen los zu werden.

Bitte bedenken Sie, dass Sie zur Umsetzung Ihrer Vorstellungen auf Mitarbeiter und Kollegen angewiesen sind, die Ihnen nicht direkt unterstehen. Überzeugungsfähigkeit und Bereitschaft zum Konsens sind daher wichtige Instrumentarien, um die als richtig erkannten Ziele zu erreichen.

 

In diesem Sinne weiterhin viel Erfolg und viele Grüße

Ihr Gerhart Freund

 

Mit dieser taktischen "Bremse" in bester Konsens-Terminologie wurde ich drei Wochen lang blockiert. Taktik und Terminologie sind normalerweise von gegenseitiger Achtung und Akzeptanz abhängig. Führt die Taktik jedoch zum Achtungs- und Respektverlust, so ist sie meiner Meinung nach nicht empfehlenswert. Dr. Freund hat mir seine Unterstützung zwar versichert, aber das freie Handeln verweigert.

 

acs-Wassermann

 

Der Mai stand ganz im Zeichen des Teams "Wassermann", dessen "acs-Philosophie" zur idealen Strategie unseres Geschäftes erklärt wurde. Diese Strategie zielte auf die Reduzierung der Durchlauf- und Lieferzeiten sowie eine Senkung des in Rohstoffen und Halbfabrikaten gebundenen Kapitals ab.


Kernstück war die PC-Software TIM 2700, mit deren Hilfe komprimierte Arbeitspläne mit Belastungsdaten erstellt, Arbeitsvorräte (Aufträge) sowie vorgehaltene Kapazitäten eingelastet und Kapazitätsauslastungen simuliert werden konnten. Bei richtiger Anwendung belastbarer Strukturen entsprach das der Machbarkeitsprüfung von Lieferterminen während der Angebotsphase und vor Auftragsbestätigung.


Meine intensiven Bemühungen, mit dem bereits vorhandenen Datenbestand brauchbare Ergebnisse zu erzielen verliefen zäh und erweckten bei Dr. Freund den Eindruck, dass ich noch mehr Informationen zum System bräuchte. Die Unternehmensberatung "acs" hielt zu diesem Zweck regelmäßig Seminare ab. Dr. Freund meldete uns zu einem 3-Tage-Seminar an, das in einem bekannten Hotel im bayerischen Miesbach stattfand. Während ich früher zu solchen Terminen per Auto anreiste, musste ich jetzt eine recht unbequeme Bahnfahrt in Kauf nehmen, während der wir zweimal umsteigen mussten. Der Grund war recht einfach - unser Teamleader war Eisenbahnfreak.


Dr. Freund, der das acs-System ausführlich kannte, wollte mich allerdings bei dieser Gelegenheit näher kennen lernen, weil er inzwischen recht verunsichert war, wie es mit mir weitergehen konnte. Seinem persönlichen Eindruck stand der Druck mehrerer Seiten entgegen. Es galt, mich auf seine beliebte Konsens-Linie einzuschwören. Ruhe an allen Fronten war sein größtes Bedürfnis.


Die Bahnfahrt bot wegen des total überfüllten ICE keine Gelegenheit zu einem ersten Gedankenaustausch, das war erst anlässlich unseres Abendessens möglich. Dr. Freund würdigte mein Engagement ausgiebig, hielt jedoch meine Vorgehensweise für besonders direkt und gelegentlich kompromisslos. Er sah sich inmitten schwieriger Mitarbeiter, die nur schwer zu führen seien. Während unserer angeregten Unterhaltung tauschten wir unsere Einschätzungen über Winter und Heger aus und stellten fest, dass sich unsere Ansichten deckten. Winter war in seinen Augen ein einfach gestrickter Geist mit einer Reihe gravierender Schwächen, zu denen auch mangelnde Anpassungsfähigkeit und Sturheit gehört. Er missbilligte auch die Gemeinsamkeiten mit dem Meister der Stanzerei, der als graue Eminenz fungierte. Defizite sah er im metallurgischen Bereich, aber auch im analytischen Denken Kaisers. Heger charakterisierte er als Choleriker, Mimose und unangenehmen Zeitgenossen. Ihn störte vor Allem seine unverhältnismäßigen und überzogenen Reaktionen, die er sich ihm gegenüber anmaßte. Von seinen fachlichen Qualitäten war er auch nicht mehr so überzeugt, wie anfänglich.
Mich schätze er - wie er sich ausdrückte - als besonders analytisch denkenden Mitarbeiter mit einem großen Spektrum. Niemand hätte bis zu diesem Zeitpunkt Mängel so umfassend diagnostiziert und derart qualifizierte Vorschläge unterbreitet. Etwas peinlich sei jedoch, wie schonungslos ich auch die ihn betreffenden Mängel bearbeite.


Mir fiel auf, dass wir ähnlich strukturiert dachten und uns im Grunde sympathisch waren. Zu anderen Anlässen war mir bereits aufgefallen, dass wir uns während Besprechungen im größeren Personenkreis oft blind per Blickkontakt verstanden und entsprechend agierten. Zum Vorwurf der Kompromisslosigkeit erklärte ich, dass mich meine fast 25-jährige Einkaufstätigkeit geprägt hat und ich es gewohnt sei, dass sich meine Verhandlungspartner kooperativ und partnerschaftlich verhalten. Für sture Verweigerungshaltungen und primitives Abblocken hätte ich noch kein Rezept gefunden. So verlief der erste zwischenmenschliche Kontakt mit Dr. Freund und ich glaubte, sein Vertrauen zu besitzen.

 

 

Das Tribunal

 

Unser acs-Seminar in Miesbach hatte die von mir bisher schon recht gut umgesetzte Philosophie noch verstärkt, wodurch meine Aktionen noch mehr Dynamik erhielten. Über jeder Erkenntnis stand die Grundregel: "Die Kapazitätsplanung und die Fertigungssteuerung gehören in eine Hand!" Genau das war jedoch bei uns noch zweigeteilt. Ständig wechselnde Problemstellungen beherrschten deshalb die Tagesarbeit und ich entwickelte komplette Versorgungskonzepte für Schlüsselkunden, um deren Just-in-time-Belieferung sicher zu stellen. Das Rezept bestand aus Lageraufträgen, gegen die sich das aktuelle Geschäft verrechnen sollte. Die vorausschauende Planung bescherte uns teilweise die angestrebte Fertigungsberuhigung und damit eine deutlich verbesserte Ergebnissituation, die die Monatsberichte beherrschten. Unsere regelmäßigen Gespräche mit Produktion und Vertrieb belegten jedoch, dass der Prozess nicht schnell genug ablief und durch eine plumpe Verweigerungshaltung gebremst wurde. Der Nebenkriegsschauplatz hieß wieder "Checklisten", die zu jeder Gelegenheit als Ursache für Verzögerungen herhalten mussten.

 

Die 10 Erfolgsfaktoren

 

Immer dann, wenn es nicht so richtig voran gehen wollte, gingen in meinen Monatsberichten die Pferde mit mir durch. So schrieb ich auszugsweise Anfang März:

Veränderungen:

  • Die nach neuem Dispositionssystem eingeplanten Lageraufträge zur Sicherstellung der wirtschaftlichen und termingerechten Abwicklung von Abrufaufträgen wurden ausgestellt. Die Produktion führte diese Aufträge jedoch nicht aus. Das Thema ruht, bis AZ von der Produktion ungehindert weiteroptimieren kann.

  • Die Lageraufträge für Rahmenaufträge werden nach Herstellung der Akzeptanz der Maßnahme bei allen beteiligten Personen nach neuem System eingeplant und dann endgültig in wirtschaftlichen Losgrößen gefertigt.

  • Mit dem Bestandsüberwachungs- und Dispositionssystem für Rohstoffe und Halbfabrikate werden die Aufträge abgesichert.

  • Die Zuständigkeiten des Auftragszentrums werden allen Beteiligten bewusst gemacht, um den ungestörten Fortgang aller erforderlichen Veränderungen zu ermöglichen.

  • Für die Abwicklung und die Terminüberwachung aller Lohnbearbeitungen außer Haus werden mit allen Beteiligten die Zuständigkeiten und der Ablauf geregelt.

Die von Dr. Freund daraufhin rot markierten Passagen waren Gegenstand einer intensiven Rücksprache, bei der er deutlich zu verstehen gab, dass derartige Formulierungen in einem offiziellen Monatsbericht nicht stehen bleiben dürften. Ich würde ihn damit in Zugzwang setzen und die zwischen den Zeilen zu lesende Beschuldigung, den Nutzen der von mir skizzierten Veränderungen nicht zu begreifen und gemeinsam mit den übrigen Funktionsträgern abzulehnen, sei eine nicht hinzunehmende Äußerung. Ich musste daraufhin die Passagen unter Protest etwas ändern. Dies löste in mir jedoch den Willen zum bedingungslosen Angriff gegen den Rest der Welt aus. Das hatte den Schulterschluss des Teiles des Teams zur Folge, das sich so vehement gegen meine Veränderungen sperrte.

 

Unser Teamleader berief eine Besprechung mit allen Beteiligten ein und bat auch den Betriebsrat hinzu, weil er eine Störung des Betriebsfriedens befürchtete. Die Veranstaltung sollte bewirken, dass gemeinsam entweder alle Vollmachten auf das Auftragszentrum übergehen oder der Störenfried Grün für immer ausgebremst werden sollte. Die Besprechung hatte damit den Charakter eines Tribunals.

 

Das Tribunal

 

Der Ablauf der Besprechung war so geplant, dass ich zunächst alle Gesprächsteilnehmer auf den neuesten Stand meiner Aktivitäten bringen und die dahinter stehende Strategie erläutern sollte. Anschließend sollte eine Diskussion für Klarheit im weiteren Vorgehen sorgen. Dr. Freund wünschte sich insgeheim, dass ich so überzeugte, dass der Übergang der Verantwortung auf das Auftragszentrum die logische Konsequenz darstellen würde. 

 

So begann ich mit folgenden Overheadfolien:

 

10 umsetzbare Erfolgsfaktoren

  • Marktgerechte Steuerung des gesamten Betriebsablaufes

  • Aufbauen und Nutzen von Ertragspotenzialen bei der Auftragsabwicklung

  • Sicheres Terminwesen durch die zentrale Abstimmung der Terminwünsche und der Terminmöglichkeiten

  • Optimierter Materialfluss durch organisierte, gesteuerte Fertigungsabläufe

  • Laufender Kapazitätsabgleich und Bestimmung von Losgrößen nach unternehmerische Zielen

  • Material- und Lohnertragserfassung durch sicheren, fertigungsbegleitenden Informationsfluss

  • Die Produktion arbeitet die Aufträge nach einer ertragsoptimierten Planung zum exakten Zeitpunkt ab

  • Bei Personal- und Investitionsentscheidungen sind die vorhandenen Be- bzw. Auslastungsübersichten  zu berücksichtigen

  • Durch gezielte Arbeitsweise tritt eine Beruhigung des Arbeitsablaufes ein

  • Die aktive Zusammenarbeit von Vertrieb, Auftragszentrum und Produktion  ist die Grundlage der Ertragswirksamkeit

.........................

 

Basis des erfolgreiche Auftragszentrums

 

1. Produkt-/Absatzplanung

Grundlage einer ertragsorientierten Produktionsplanung ist eine solide Vorgabe der Ziele und Prioritäten. Dies wird erreicht durch

  • halbwegs realistische Absatzplanung (Produktmengen anstelle Umsatzhöhen)

  • Ausfiltern der wichtigen Produkte

  • Periodische Aktualisierung beider Punkte anhand des Auftragsbestandes, der Absatzschwankungen des nicht beplanbaren Tagesgeschäftes, des Deckungsbeitrages, der strategischen Bedeutung und der Beurteilung aus Sich des Auftragszentrums

  • Festlegen von Maßnahmen für neue Produkte

2. Aktives Bestandmanagement

Grundlage eines ertragsorientierten Bestandsmanagements ist die richtige Versorgung der Produktion. Dies wird erreicht durch:

  • eindeutige Artikelstrukturen für Rohstoffe, Hilfsstoffe, Halbfabrikate und Fertigerzeugnisse

  • das Einbinden der Basisdaten der Produktplanung und des Auftragsbestandes zur optimalen Disposition

  • Festlegen der Sicherheitsbestände

  • Installieren einer Vorrats-Simulation (Forecast)

  • regelmäßige Analysen des Verbrauchsverhaltens

3. Kapazitätsplanung

 

Grundlage einer ertragsorientierten AZ-Tätigkeit ist die Effektivität des Einsatzes vorhandener Kapazität. Dies wird erreicht durch:

  • Ermittlung des Primärbedarfes, resultierend aus dem Ergebnis der Produktplanung und der laufenden Aufträge

  • Analyse der kapazitätsbestimmenden Faktoren innerhalb der Fertigungsbereiche

  • Bilden von Leistungsgruppen (DAVID´s)

  • Kapazitäts-Ausweichplanung intern/extern

4. Steuerung der Kapazitäten

 

Grundlage einer ertragsorientierten AZ-Tätigkeit ist die Effektivität des Einsatzes vorhandener Kapazität. Dies wird erreicht durch:

  • das erstellen der Leistungsstrukturen für die Produkte

  • Einlastung der Aufträge für Halbfabrikate und Fertigerzeugnisse

  • weitestgehend realistische Simulation der Kapazitätsauslastung der Leistungsgruppen

  • makeln und ausgleichen der Fehlkapazitäten

  • permanente Anpassung der Leistungsstrukturen an die Veränderungen in der Produktion

  • erkennen und beseitigen von Engpass-Stellen

5. EDV-/PC-Strukturen

 

Grundlage einer ertragsorientierten AZ-Tätigkeit sind transparente Informationsstrukturen. Wesentliche Arbeitshilfen sind:

  • Datenbanken zur Umwandlung von Auftrags- in Produktionsmengen, Materialdaten, Kapazitätsbedarfe, Checklistendatei, Werkzeugdatei, Materialeinsatzdatei, Legierungsdatei, Fertigungsauftragsdatei, Artikel- Historiendatei, Kalkulationsdatei

  • integrierte Programme zur Bedarfsermittlung

  • Terminüberwachungshilfen

6. Fertigungsplanung

 

Grundlage einer ertragsorientierten AZ-Tätigkeit sind intelligente, praxisorientierte Arbeitsmittel zur Steuerung, wie

  • die Auftragsdurchlaufsimulation für die Terminabgabe zu zukünftigen Bedarfen

  • die Auftragsdurchlaufsimulation zu periodengenauen Planung der Material- und Kapazitätsbedarfe

  • die Arbeitspapiere und Checklisten zu direkten Umsetzung der Planung

  • Engpass-Ausweichplanung

  • Engpass-Beseitigung

  • Terminüberwachungssystem (acs)

7. Fertigungsorganisation

 

Grundlage einer ertragsorientierten AZ-Tätigkeit sind intelligente, praxisorientierte Abläufe in der Produktion. Die Leistungsbereiche organisieren sich im Rahmen der Ecktermine durch:

  • das Vorhalten qualifizierten Personals in belastbarem Zustand und der benötigten Kapazität

  • das Vorhalten betriebsbereiter Maschinen und technisch einwandfreier Werkzeuge sowie ausreichender Betriebsstoffmengen

  • das Erarbeiten und Realisieren von Störfall- und Ausweichkonzepten

  • den ertrags- und erfüllungsorientierten Einsatz der Kapazitäten

  • eine intelligente und vorausschauende Ablaufplanung und Eigenüberwachung

 

Nach dieser Vorstellung und der permanenten Betonung des Aspektes Ertragsorientierung war es Zeit, auf die Ausgangsbasis und den inzwischen erreichten Stand einzugehen. Hierzu benutzte ich eine Darstellung, bei der die einzelnen Themen zu Beginn in verschieden hohen Niveauebenen "auf Grund saßen". Nach der Hälfte der für die Umsetzung der Veränderungen angesetzten Laufzeit zeigte ich, wie stark sich die Themen vom Grund gelöst hatten und inzwischen frei schwammen - also deutlich in Bewegung waren. 

 

Im Bereich von Produktionsleiter Winter hatte sich noch nichts bewegt, wodurch die Stossrichtung meines Angriffes klar war. Vertriebsleiter Heger kam mit seinem Ergebnis auch nicht besonders gut weg und stand als zweiter Verhinderer fest. Dr. Freund war nun gefragt. Der Betriebsrat, die Qualitätssicherung und der Vertrieb erkannte schon wegen des besseren Ergebnisses klar, dass das Konzept gut war und zügig umgesetzt werden sollte. Winter konnte den Argumenten mal wieder nicht folgen und sein Terminator und Adlatus schoss dümmliche Plattitüden ab, die ihr Ziel verfehlten. 

 

Das Tribunal wurde für Dr. Freund zum Eigentor und ihm fiel nichts besseres ein, als einen kleinen Arbeitskreis zu bilden, der das Konzept noch einmal durchgehen und einen Ablauf formulieren sollte. Mit dieser Maßnahme hatte er einen weiteren Teil seiner Autorität verloren, denn es war deutlich geworden, dass er bestenfalls dem neuen Konzept und seinen Auswirkungen folgen, aber die folgerichtigen Entscheidungen nicht zeitnah treffen konnte.

 

Konsens-Sehnsucht - Führungsschwäche Nr. 1

 

 

Die Klausurtagung

 

Wenn man nicht mehr so richtig weiß, wie es weitergehen soll, dann bildet man einen Ausschuss oder geht in Klausur. Dr. Freund hatte hierzu einen Ort im Taunus unterhalb einer Burg ausgesucht. Natürlich gehört zu einer Klausurtagung auch die nötige Vorbereitung. Vertriebsleiter Heger hatte eigens zu diesem Zweck unseren EDV-Leiter beauftragt, umfangreiche Auswertungen zu fahren. Die so gewonnenen Erkenntnisse waren wegen des maroden Datenbestandes zwar nicht belastbar, ergaben jedoch für ihn genügend Ansatzpunkte, um einen Teil der Produktpalette für fast tot zu erklären oder als zukünftige C-Produkte einzustufen. Produktionsleiter Winter hatte sich eigentlich überhaupt nicht vorbereitet oder stützte sich auf die Vorbereitung von Dr. Freund, der sich wieder einmal als Mentor seines Sorgenkindes und dessen Denkprothese profilierte.

 

Was sollte eigentlich erreicht werden? Auf der Suche nach neuen Wegen und der Lösung der von mir aufgeworfenen Fragen musste zunächst eine Ortsbestimmung erfolgen und die von mir aufgezeigten Fakten erhärtet oder verworfen werden. Dazu hätte es einer größtmöglichen Neutralität des Moderators bedurft. Dr. Freund war jedoch wegen der Diskussion um eine Aktion, die völlig unsinnig sehr viel Kapazität in der Produktion verbraten hatte, mehr oder weniger gegen mich voreingestellt. Dabei war der Sachverhalt absolut klar. Ein englischer Hersteller von Scheinwerferlampen benötigte äußerst komplizierte und aufwendig herzustellende Teile zu einem Preis, der völlig uninteressant war. Beide klärten die  Anforderungen direkt beim Kunden und es reizte sie die technische Herausforderung, der angeblich keiner unserer Wettbewerber gewachsen war. Dafür blockierten sie tagelang wichtige Fertigungskapazität und zahlreiche wesentlich interessantere Aufträge kamen in Verzug. Als es um die Fertigungsplanung und -steuerung ging, bemängelte ich das eigenmächtige Hineindirigieren in meinen Verantwortungsbereich. Dr. Freund vertrat die Auffassung, dass er zu jeder Zeit andere Prioritäten setzen können und mich nicht um Zustimmung fragen müsse. Das sah ich jedoch ganz anders. Seine Scheinheiligkeit Vertriebsleiter Heger stimmte natürlich ebenso der Ansicht von Dr. Freund zu, wie Produktionsleiter Winter, weil sich damit herrlich Politik machen ließ. So verlief die Klausurtagung unter einer gereizten Grundstimmung.

 

Der finale Höhepunkt der Klausurtagung war aus meiner Sicht die aus dem unausweichlichen Streitgespräch heraus getroffene Feststellung von Dr. Freund, er werde alleine entscheiden und mich zu kooperativem Verhalten zwingen, worauf ich ihm erklärte, er solle tun, was er nicht lassen könne. Damit war ein deutlicher Bruch zwischen mir und dem Rest der Truppe vollzogen und ein Konsens in weiter Ferne. Als Krönung des Ganzen riet ich dazu, den gesamten Werkzeugbau mitsamt Produktionsleiter Winter und seinem mäßig qualifizierten Vorarbeiter auszugliedern, damit die Beruhigung zwischen Halbzeugfertigung und dem Stanzbetrieb zwangsläufig greifen könne und der Stanzbetrieb beweisen müsse, ob er allein überhaupt wirtschaftlich existieren könne. Das war zu viel für Dr. Freund, der sich unter starker Beobachtung des ebenfalls anwesenden Geschäftsführers fühlte. Am gemeinsamen Abendessen nahm ich aus Protest nicht teil, was mir sehr übel genommen wurde. Es konnte niemand wissen, dass ich mich aus Prinzip nicht im Streit zum Essen mit Kontrahenten an einen Tisch setze.

 

Die gesamte Klausurtagung war aus meiner Sicht ein Flop, denn sie erbrachte zunächst kein Ergebnis. Erst einige Tage danach, als man nach konkreten Hinweisen auf konstruktive Lösungsansätze suchte, griff man meinen Gedanken auf, den Stanzbetrieb auszugliedern. Doch - dazu sollte es kurzfristig noch nicht kommen. Ich selbst verfolgte meine Linie  nun noch konsequenter und die wirtschaftlichen Erfolge stellten sich zunehmend ein. Die Klausurtagung sollte mich jedoch später noch einmal einholen...

 

 

Erfolg auf ganzer Linie

 

Es gibt Tage, die mehr als 12 Stunden haben und solche Tage hatte ich reihenweise. Aber es lohnte sich! Die Auftragsdurchlaufsimulation war auf dem besten Weg, ein verlässliches Instrument zu werden. Zusammen mit einigen Vertriebsmitarbeitern und - mitarbeiterinnen, die erkannt hatten, was in der EDV zu verändern ist, kam ich zu immer verlässlicheren Datenbeständen und damit zu einem besseren Steuerungseffekt. Einziger Störfaktor war die Achse zwischen Vertriebsleiter und Fertigungsleiter, die gegen Monatsende stets Umsatz zu Lasten der Termintreue betrieben und meine Planungen über den Haufen warfen. Dabei war das gar nicht nötig. Über die beruhigte Fertigung und dem Anarbeiten von Abrufmengen für noch nicht getätigte Abrufe konnten monatlich locker zwischen 250 bis 300 TDM Umsatz zusätzlich  ohne Produktionsumstellung generiert werden. Die Umsatzzahlen stiegen von Monat zu Monat und das Wichtigste - die Ergebnissituation - verbesserte sich überproportional. 

Das gab meinem Vorgehen Recht. Unverständlicherweise reklamierten auf dieser Erfolgswelle ausgerechnet die beiden Bremser die Ergebnisse für sich und stellten meine positiven Steuerungsfaktoren infrage. Dr. Freund, der glaubte, die Ergebnissituation sei auf seine geniale Führungsqualität zurückzuführen, wollte auch etwas vom Erfolgskuchen abhaben. Da ich das grotesk fand, behandelte ich sie alle wie Trittbrettfahrer und machte meine erfolgreichen Steuereffekte geltend. Das konnte auf Dauer nicht gut gehen!

 

Erfolg macht manchmal überheblich! Ein Schild an meinem Büro bezeichnete es - wie bereits erwähnt - als "Denklabor". Meine Art zu diskutieren war zunehmend von Überheblichkeit geprägt. Gelegentlich ertappte ich mich beim Schulmeistern. Meine Kontrahenten, die schon lange keine Teammitglieder mehr waren, bildeten zunehmend eine Allianz und fühlten sich enorm bedrängt. Sie unternahmen allerdings keine offenen Aktionen gegen mich, weil sie sich wohl selbst nicht ganz sicher waren, wie stark mein Einfluss auf das Ergebnis war. Mit kleinen Nadelstichen wurde ich nun traktiert. Einer dieser Nadelstiche war die Tatsache, dass auf den reservierten Firmenparkplätze, die wegen eines Bauvorhabens deutlich reduziert werden mussten, für mich kein Platz mehr war. Die unerträgliche Parksituation führte dazu, dass ich von diesem Zeitpunkt an mit dem Omnibus zur Arbeit fuhr. Angesichts meiner enormen Überstunden war dieser zeitliche Mehraufwand eine Verschärfung. Meine Verärgerung war kaum noch zu steigern. Nun begann eine neue Phase. Viele Aktionen sprach ich nur noch direkt mit den Meistern und Vorarbeitern sowie den Vertriebsmitarbeitern ab, ohne die drei Looser, wie ich sie bezeichnete, zu informieren. Der Erfolg hatte sich von der Führung abgekoppelt und war zu meinem eigenen Baby geworden. Erfolg ohne Führung - nur durch Steuerung - das stellte die Führung infrage!

Das schrie förmlich nach einem Baueropfer!

 

 

Der Rausschmiss

 

Es geschah an einem Freitag und ohne Vorwarnung. Meine Planungen liefen auf vollen Touren und ich hatte eine Sechzigstundenwoche fast hinter mir. Nach der Mittagspause kam Dr. Freund wie an jedem Tag vorbei und bat mich, um 15 Uhr 30 bei ihm vorbei zu kommen, denn er hätte etwas mit mir zu besprechen. Es waren keine Anzeichen irgendeiner Eskalation zu spüren.

Zum vereinbarten Zeitpunkt betrat ich das Büro von Dr. Freund, der kreidebleich bereits am Besprechungstisch saß und ein kleines Zettelchen in Händen hielt. Ich nahm Platz und schaute in ein völlig leeres Gesicht, das die Farbe von blassem Hartkäse hatte. 

 

Dr. Freund ergriff das Wort und sagte, dass das, was er mir jetzt sagen müsse, nicht mehr zu ändern und fest beschlossen sei. Er werde das Auftragszentrum auflösen und der Produktionsleitung zuordnen. Diese Maßnahme sei notwendig, da ich nicht teamfähig sei und den Betriebsablauf störe. Außerdem sei bereits geklärt, dass für mich im gesamten Konzern kein geeigneter Arbeitsplatz mehr wäre und man sich von mir trennen müsse.

 

Starker Tobak! So stark, dass ich momentan gar nichts sagen konnte. Daraufhin begann er mit Erklärungsversuchen, indem er sagte, meine Kollegen wollten nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Es täte ihm ja auch leid, aber er sei in einer ausweglosen Situation und ich müsse dafür Verständnis haben. Wenn ich nichts dagegen hätte, so würde er jetzt die Personalabteilung hinzuziehen. Er griff zum Telefon und meldete kurz : "Er weiß es jetzt!", worauf die Tür aufging und die Personalchefin erschien. Die Allerweltsjuristin mit dem Aussehen einer alten Jungfer kam mit leicht schräg gestelltem Kopf und der für solche Situationen bereitgehaltenen Leichenbittermiene auf mich zu mit den Worten: "Ist das nicht schlimm?", ohne mich erst einmal zu begrüßen. Ich antwortete nur: "Wenn Sie das auch so sehen...!?"

 

Dieser kurze Wortwechsel entsprach der ganzen Situation und den beteiligten Personen. Ein Bereichsleiter, der unter großem Druck eine Entscheidung fällt, die für ihn wahrscheinlich weittragende Folgen haben würde, ein Personalknecht, der den Akt umsetzen soll und ein Betroffener, der sich gründlich verkalkuliert hatte. Eine Situation, in der keiner der Personen imstande war, ein Minimalprofil zu entwickeln, um den Spuk mit Anstand zu beenden.

So langsam glaubte ich, in einem schlechten Film zu sein, denn sie verschlimmerte ihre erste Feststellung um den Nachsatz: "...wo Sie doch in drei Monaten Ihr 25-jähriges Jubiläum feiern! Ihre Prämie bekommen Sie aber noch!" Sie wiederholte nochmals die bereits getroffene Feststellung, dass im gesamten Konzern keine Verwendung für mich sei und sie sich redlich um eine Lösung bemüht hätte. In den nächsten Tagen würde sie mir meine Abfindung ausrechnen und - ob ich noch Fragen hätte.

 

Natürlich gab es einen ganzen Berg von Fragen, aber ich war einfach sprachlos. Ich hatte nur noch einen Wunsch, nämlich schnell weg von hier zu kommen. So kam mir der Vorschlag von Dr. Freund auch sehr gelegen, ich solle jetzt doch erst einmal ins Wochenende gehen und am Montag würden wir alles Weitere besprechen. So stand ich auf und ging.

Bis heute weiß ich nicht, wie ich nach Hause gekommen bin. Sicher - mit dem Bus - aber ohne jede Erinnerung daran. Meine ganze Welt stand Kopf und nichts war mehr im Lot. Was war nur geschehen?

 

Dr. Freund hatte sein Bauernopfer gefunden und sich mit dem Schlachten der dominantesten Person seines Einflussbereiches die längst verspielte Autorität beim Rest der Dreierbande wiedererlangt.

 

 

Schadensbegrenzung

 

 

Was war am Freitag nur geschehen? Die Sache wurde am Wochenende zum Albtraum. Meine Frau begriff überhaupt nicht, was geschehen war. Monatelang lag sie mir bereits in den Ohren mit ihren Vorwürfen, dass ich es mit der Arbeit übertreibe - und nun das! 

 

Auf der Suche nach Erklärungen erörterten wir alle Facetten des Themas und kamen immer wieder zum Schluss, dass der Rausschmiss eine völlig überzogene Angelegenheit war. So langsam erinnerte ich mich an einige Nebensätze von Dr. Freund, die ich zunächst verdrängt hatte. Da war die Rede von den Beiden, die ihn vor die Alternative gestellt hätten "Der oder Wir!". Was machte die beiden Looser so stark? Bei jeder passenden Gelegenheit hatte er mir immer wieder erklärt, wie unfähig sie seien und dass mein Einfluss die Firma vor Verlusten bewahre, die auf das Konto der Beiden gingen. Mir gingen die absonderlichsten Gedanken durch den Kopf. Was wussten sie über Dr. Freund, was ich nicht wusste? Hatten sie ihn irgendwie in der Hand? Jetzt fiel mir auf, dass auch ein anderer Stratege, Dr. Wanderer, auf ungewöhnliche Art von ihm profitierte, als er praktisch über Nacht vom Schaumschläger in der Entwicklung zum Leiter einer recht großen Einheit innerhalb des Konzerns avancierte. Kauft man sich so von unbequemen Mitwissern frei? Manchmal waren Bemerkungen über den Junggesellen Dr. Freund gefallen, die ich nie ernst genommen hatte. Gab es hier doch einen Zusammenhang? Bis zum heutigen Tag verwerfe ich jeden Gedanken an einen möglichen Zusammenhang, weil mir die Konsequenz zu ungeheuerlich erscheint. Trotzdem wäre es eine plausible Erklärung für derart starke Reaktionen.

 

Bereits an diesem Wochenende fasste ich den Entschluss zum Kampf gegen den Rest der Welt und ließ den Montag auf mich zu kommen. Wie immer war ich bereits um 7 Uhr im Büro und setzte meine Arbeit in gewohnter Weise fort. Noch vor 8 Uhr suchte mich Dr. Freund auf und es war ihm anzusehen, dass auch er ein unruhiges Wochenende hinter sich hatte. Er meinte, ich solle doch erst einmal so weitermachen, wie bisher, weil meine Arbeit so überaus wichtig und nutzbringend sei. Meine Frage, ob er das Rad jetzt wieder zurückdrehen wolle, verneinte er entschieden. Es war ihm anzumerken, dass ihm an diesem Tag noch ein schwerer Gang bevorstand. An jenem Montag fand die regelmäßig stattfindende Geschäftsleitungssitzung statt, auf der er sicher seine Maßnahme erläutern musste. 

 

Mein direkter Mitarbeiter Lauer und einige andere Mitarbeiter verhielten sich total verändert und intensivierten deutlich ihre Beziehungen zu Fertigungsleiter Winter, der ihr zukünftiger Vorgesetzter werden sollte. Lauer machte auf mich den Eindruck des Judas, der seinen Herren bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verriet. Mein Gebilde wurde zunehmend löchrig und die Auflösungserscheinungen waren bereits in den ersten Stunden zu erkennen. Es bestand kein Zweifel, dass Lauer und andere Mitarbeiter an jenem Freitag bereits wussten, was passieren würde. Keiner hatte mich gewarnt. Alle Loyalitätsbekundungen der Vergangenheit stellten sich als Phrasen heraus, die keinem Sturm standhielten. Von diesem Tag an wurde ich in "meiner" Firma zum einsamsten Menschen der Welt. Alle mieden mich und orientierten sich hin zur neuen Macht. Das Bauernopfer zeigte Wirkung.

 

Kurz vor der Mittagspause des Montags suchte mich der Nachfolger von Dr. Wanderer auf, der anlässlich der Geschäftsleitungssitzung von meinem Schicksal erfahren hatte. Mit großer Bestürzung hätten er und seine Kollegen von der absolut unverständlichen Maßnahme erfahren, die von ihnen als wahnwitzige Tat kollektiv verurteilt worden sei. Es sei allerdings auch eine goldene Grundregel des Managementes, eine solche Entscheidung zum Schutz der Führungsperson nicht rückgängig gemacht werden könne. In diesem Zusammenhang fiel das erste Mal der Begriff "Bauernopfer". Man suche jetzt nach einer Lösung im Zusammenhang mit der  Wiedereingliederung unserer Firma in die Aktiengesellschaft des Konzerns, die unmittelbar bevorstand.

 

Mit diesen Eindrücken verbrachte ich die ganze Woche, ehe ich mich entschloss, erst einmal in Urlaub zu gehen. Die Notwendigkeit der Erholung war offensichtlich, denn ich bekam nun gesundheitliche Probleme. Während ich tagsüber überaus wehrhaft der Situation trotzte, bekam ich zuhause während der Ruhephasen merkwürdige Krämpfe, die in der Brust wühlten und bei denen ich heftige Stiche beim Atmen verspürte. Minutenlang konnte ich nicht durchatmen und kalter Schweiß lief mir über Gesicht und Rücken. Die Krämpfe kamen mir jedes mal wie eine Unendlichkeit vor. Mental merkte ich, wie ich mehr und mehr den Boden unter den Füßen verlor. Alle Wertevorstellungen waren auf den Kopf gestellt. Ich musste dringend ausspannen und Zeit zum Nachdenken gewinnen.

 

Mit meiner Frau fuhren wir kurzentschlossen auf einen Bauernhof nach Kärnten, der sich in über 1000 m Höhe befand und auf dem wir schon mehrere Urlaube verbracht hatten. Die Bäuerin empfing uns sehr herzlich und begriff schnell, in welcher Verfassung ich war. Äußerst liebevoll bekochte sie uns während unseres gesamten Aufenthaltes, damit wir nicht unnötig Lokale aufsuchen mussten. Sie war eigentlich der einzige Mensch, der verstand, was mir fehlte. Die große Ruhe und die vielen ausgedehnten Spaziergänge und Bergtouren ließen meinen Kopf immer klarer werden und ich schöpfte neue Kraft. An einem herrlichen Sonnentag entschlossen wir uns, nach Klagenfurt zu fahren. Klagenfurt hat die Altstadt für den Autoverkehr gesperrt und wir mussten von einem außerhalb gelegenen Parkplatz in die Stadt laufen. Anfänglich war ich noch mit den neuen Eindrücken beschäftigt, merkte aber bald, dass irgendetwas nicht stimmte. Plötzlich kamen alle Leute direkt auf mich zu gelaufen und aus jeder offenen Tür eines Geschäftes glaubte ich, eine Gefahr zu wittern. Als ich in einer der Gassen nach oben blickte - die Häuser waren stockwerkweise überhängend gebaut, wodurch sich der Blick nach oben verengte - bekam ich Panik. Ich glaubte, alles stürze auf mich herunter. Unbewusst lief ich immer schneller und meine Frau hinter mir her.  Sie sah, dass ich schweißüberströmt war und wir gingen auf dem kürzesten Weg zurück zum Auto. Als ich wieder den freien  Himmel über mir hatte, ging es mir langsam besser.

 

Damals erkannte ich noch nicht, dass es sich um eine Angstattacke handelte, die mich nun zunehmend heimsuchen sollten.

 

Irgendwann war der Urlaub herum und ich musste wieder in die Firma. Dort waren infolge der Wiedereingliederung bereits Auflösungserscheinungen zu erkennen. Im Bereich der Verwaltung, also der Buchhaltung, dem Einkauf und der kaufmännischen Leitung suchten die Mitarbeiter ihr Heil in anderen Bereichen. Die Geschäftsleitung, die dem Treiben der Personalabteilung tatenlos zusah, merkte plötzlich, dass der Ausverkauf des Personals in der Verwaltung so große Löcher gerissen hatte, dass die ordnungsgemäße Überleitung der GmbH in die AG gefährdet war. Der komplette Bereich Materialwirtschaft und Einkauf war bis auf zwei Personen verwaist. Genau diese Lücke bot man mir zum Schließen an - eine Aufgabe für ein knappes Jahr.

Ich war damals vom unbändigen Willen beseelt, allen Verantwortlichen tagtäglich zu zeigen, wie falsch mein Rausschmiss und wie wertvoll mein Wissen und meine Leistung war. Ein äußerst eitle Haltung, die ich aus heutiger Sicht ablehne, aber zum damaligen Zeitpunkt als einziges Mittel zur Selbstaufrichtung und Selbstheilung sah.

 

 

Zwischenspiel

 

Der Einkauf hat mich wieder. Nachdem meine ursprüngliche Nachfolgerin auf dem Posten des Einkaufsleiters ihre Aufgabe gegen einen "normalen" Einkaufs-Sachbearbeiterposten innerhalb des Konzerns eingetauscht und eine zweite jüngere Mitarbeiterin ebenfalls abgewandert war, übernahm ich wieder den Einkauf an alter Wirkungsstätte. Mir waren noch zwei Mitarbeiterinnen geblieben, die Mitarbeiterin, mit der ich die Abteilung seinerzeit aufgebaut hatte und eine gerade ausgelernte Azubine, die noch keinerlei Berufserfahrung hatte. In meinen alten Strukturen fühlte ich mich nach wie vor zuhause und die Mengenarbeit infolge der Personalreduzierung war mir keine Last. Schließlich hatte ich in den vergangenen 1 1/2 Jahren ganz andere Arbeitspakete bewegt.

 

Nach kurzer Zeit kam jedoch das Wiedereingliederungsprojekt hinzu, das sich auf die Migration der Datenbestände von Nixdorf COMET nach SAP R/2 und die buchmäßige Übernahme der Bestände konzentrierte. Hierzu wurde ein nach meinen damaligen Vorstellungen riesiges Team von EDV-Fachleuten der Konzernmutter gebildet, in dem ich als EDV-Spezialist einen festen Platz einnahm. Wochenlang wurden die neuen Strukturen gebildet, nachdem ich mehrere SAP-Lehrgänge besucht und die Vorbereitungen hierfür abgeschlossen hatte. Eine besondere Schwierigkeit bestand darin, den bisherigen EDV-Leiter, der sich perfekt in Nixdorf COMET auskannte, jedoch mit SAP enorme Schwierigkeiten hatte, zur vernünftigen Mitarbeit zu bewegen.

 

Langsam kam der Tag des Überganges näher und damit auch der Tag des Jahresabschlusses. Seit vielen Jahren war ich bereits sehr aktiv in die Bestandsführung und Bestandsbewertung eingebunden. Durch den Weggang der wichtigsten Mitarbeiter in der Buchhaltung konzentrierte sich ein großer Teil der Abschlussarbeiten auf mich. Ich verband den Abschluss und den Übergang mit der Bereinigung der Bestände, die ich nicht komplett überleiten wollte. Große Mengen Materials hatten ihren Zweck verloren, da sich ein Teil des Geschäftes verändert hatte. Hinzu kam ein Außenlager für Rohstoffe, in dem es recht chaotisch zuging. Wenn es darum ging, verfahrene Dinge wieder hinzubiegen und gründlich aufzuräumen, dann war ich grundsätzlich in meinem Element.

 

Mit dem Übergang, der absolut reibungslos vonstatten ging, kam auch die neue Zuständigkeit der übergeordneten Konzerneinkaufsfunktion für den einzugliedernden Bereich. Die Aufgabe wurde kommissarisch an die örtliche Einkaufsstelle des Standortes vergeben. Der seit vielen Jahren von mir als in der Arbeitsweise rückständig und absolut von der Zentrale abhängig angesehene Einkaufsbereich sollte meine zukunftsorientierte und fortschrittliche Arbeitsweise fortführen. Qualitätssicherung zum Beispiel  - hier auf bereits sehr hohem Niveau - war dort noch in den Anfängen. Man war gerade dabei, unsere Qualitätssicherungsmodule abzuschreiben und zu modifizieren. Auf meinen Wunsch wurde ein junger Einkäufer, zu dem ich einen persönlichen und privaten Draht hatte, mit der Aufgabe betreut, wodurch sich der Übergang relativ reibungslos vollzog.

 

Das kurze Jahr war schnell um und ich war für neue Aufgaben frei. Umso näher der Zeitpunkt kam, umso unruhiger wurde ich. Plötzlich ergriff die Angst wieder Besitz von mir. Die Personalabteilung tat absolut nichts für mich und ich war auf mich selbst angewiesen. Darüber hinaus war man mir gegenüber nicht mehr in der Pflicht, mir etwas anderes anbieten zu müssen, weil ich ja dem befristeten Übergangsjob zugestimmt hatte. Nach meinen Informationen war der Geschäftsbereich, in den der Dr. Wanderer als Bereichsleiter "abgewandert" war, in einer nur mäßig organisierten Struktur im Bereich der Fertigungsorganisation und Steuerung. Das wäre ein weites Betätigungsfeld für mich gewesen. Also sprach ich ihn an, worauf ich eine höhnisch-zynische Ablehnung bekam. Irgendwie war das ja auch zu erwarten, denn zwischen uns hatte die "Chemie" noch nie gestimmt. Im Nachhinein hätte ich mir selbst wohin treten können, denn ich hatte in meiner Notsituation glatt meine Menschenkenntnis außer acht gelassen. Wo waren noch Personen, die mir helfen konnten?

 

Einer der Zentraleinkäufer der Konzernmutter machte mich auf eine zu besetzende Stelle in Materialwirtschaft und Einkauf aufmerksam, die in einem neu übernommenen Werk für Futtermitteladditive in der Slowakei existierte. Tagelang ging ich mit der Idee schwanger. Schließlich siegte meine Bodenständigkeit und meine Sesshaftigkeit, weshalb ich die Idee verwarf. Vielleicht spielten im Unterbewusstsein auch meine  Angstattacken eine Rolle, von denen in der Firma kein Mensch wusste und die mir privat und beruflich starke Probleme bereiteten. Nach meinem "Rausschmiss" suchte ich neue Werte und fand sie im engsten Familien- und Bekanntenkreis sowie im Verein. In der Gemeinschaft ist man stark - oder nicht so schwach. Diese Geborgenheit wollte ich jetzt nicht gegen eine Mission in einem mir fremden Land und mit fremden Leuten eintauschen.

 

Meine Frau riet mir, mich doch an den früheren Geschäftsführer und jetzigen Leiter des zweiten Standortes in unserer Region zu wenden, mit dem mich damals eine besonders enge und gute Zusammenarbeit verband. Mein Anruf hatte auf Anhieb Erfolg. Er hatte inzwischen schon von den Vorgängen um meine Person gehört und ebenfalls schon in Erwägung gezogen, mich anzusprechen. Da er meine Arbeit und meine Person sehr schätzte, ordnete er kurzerhand an, dass ich von seinem Standort übernommen würde und er sich umgehend auf die Suche nach einem geeigneten Aufgabengebiet begeben werde. Es gab wieder neue Hoffnung!

 

 

Rehabilitation

 

Noch ehe ich den neuen Standort betreten hatte, kam es zu einem Kontakt mit dem Geschäftsgebietsleiter, der meinen alten Firmenbereich bei der Eingliederung aufgenommen hatte. Der Standortleiter hatte mich ihm empfohlen, worauf er mich kurzentschlossen zu einem Gespräch einlud. Wir kannten uns bereits aus der Zeit, in der er noch Leiter der zentralen Beschaffung - also mein höchster Fachvorgesetzter war. Obwohl mich meine Angstattacken wieder ergriffen hatten, verlief unser Gespräch sehr ruhig und harmonisch. Er wollte in allen Einzelheiten wissen, wie ich in  die missliche Lage gekommen war und zog daraus seine Schlüsse. Wahrscheinlich war es meine positive Geisteshaltung und die konstruktive Sicht der Dinge, die ihn überzeugten.

 

Er unterbreitete mir den Vorschlag, mich in der völlig neu zu konzipierenden Stelle der Konzernlogistik zu integrieren. Hierzu solle ich ein Gespräch mit dem dafür vorgesehenen Leiter führen, der jedoch noch als Einkäufer in der Zentrale fungiere. Wir kannten uns ebenfalls und es war für mich kein Problem, auch hier zu überzeugen. Somit hatte ich die neue Aufgabe, die darin bestand, meinen Vorgesetzten mit Insiderwissen zu versorgen und Optimierungskonzepte zu entwickeln.  Waren die SAP-Schulungen erst der Beginn des Weiterbildungsreigens, so kam nun das Einleben in einen riesigen Standort mit seinen komplizierten Strukturen hinzu. Mein Wissen baute ich innerhalb kurzer Zeit stark aus und die Logistik war Dank meiner tatkräftigen Unterstützung von Anfang an sehr erfolgreich.

 

Nach drei Monaten wurde meine Abordnung zum Geschäftsgebiet in eine feste Übernahme umgewandelt.  Der Posten von Dr. Freund wurde im Rahmen der Eingliederung praktisch aufgelöst und er hatte als Leiter der Produktionstechnik keinerlei Personal mehr. Der frühere Vertriebsleiter Heger fand sich seiner Qualifikation entsprechen über Nacht in der englischen Auslandsvertretung wieder, der sein ungeliebtester früherer Chef vorstand. Und der frühere Produktionsleiter Winter war inzwischen zusammen mit seinem früheren Vorarbeiter Geschäftsführer des am alten Standort verbliebenen und nicht eingegliederten Stanzbetriebes. Alle Betreibsteile arbeiteten übrigens exakt nach meiner implementierten Steuerungsmethode bis ins Detail erfolgreich weiter, was auch überall so gesehen wurde.

 

Ein Jahr später holte mich meine Vergangenheit wieder ein bei der Untersuchung der einkäuferischen Betreuung, die beim Standorteinkauf des Konzerns angesiedelt war. Ich entwickelte ein Optimierungskonzept, das auf die Herauslösung der Einkaufsfunktion und den Aufbau einer eigenen hochprofitablen Versorgungseinheit hinauslief. Nach heftigem Machtkampf mit der Zentralen Beschaffung des Konzerns, den ich mit sehr plausiblen Argumenten für mich entscheiden konnte, blieb mir nichts anderes übrig, als die Aufgabe auch selbst wahrzunehmen. Was jetzt folgte, war der systematische Aufbau eines unabhängigen Einkaufes, der ausschließlich auf die Ziele der Ergebniseinheiten ausgerichtet war und in höchstem Maße den Qualitätszielen entsprach. Mit einem Bruchteil der bisher per Umlageverfahren belasteten Kosten wurden "Schätze gehoben" und die kränkelnden Geschäftsgebiete nachhaltig ergebnismässig verbessert, wie das vorher noch nie der Fall war. Mit diesem Beitrag zum Erfolg des Unternehmens widerlegte ich eindrucksvoll die These, für mich bestünde im ganzen Konzern keine Verwendung mehr.

 

Meine Rehabilitation war praktisch abgeschlossen. Aus dem Bauernopfer resultierte letztendlich ebenso wenig ein langfristiger Vorteil für den Initiator, wie für die Auslöser der Situation.

 

Fazit

 

Das Ende des erzählten Erlebten könnte eigentlich versöhnlich stimmen und unsere ach so heile Welt wieder zurechtrücken, wenn die Zeit stehen geblieben wäre.

 

Auf dem neuen Höhepunkt  angekommen, stellte ich fest, dass ich fürchterlichen Raubbau mit meiner Gesundheit betrieb, indem ich schuftete wie ein Tier. Das ist eigentlich noch nichts ungewöhnliches, aber es war getrieben von der Angst, irgendeine von mir nicht beeinflussbare Entscheidung könne zur Wiederholung der Ereignisse führen. Zu diesem Zeitpunkt entschied sich der Konzern dafür, unsere recht große Ergebniseinheit auszugliedern und später zu veräußern. Es begann ein verzweifelter Kampf zwischen der Vision des eigenen Börsenganges und dem schnörkellosen Verkauf ins Ungewisse. Meine innere Stimme riet mir, den Turbulenzen mit all ihren zerstörerischen Auswirkungen zuvor zu kommen. Der Ausweg hieß "Altersteilzeit", also der geplante und gesteuerte Ausstieg aus dem Berufsleben - eine sehr ungewöhnliche Lösung für Leute in meiner Funktion.

 

Im Wissen um die besondere Qualität, mit der ich die Aufgabe wahr nahm, aber auch im Hinblick auf den geplanten Börsengang, wurde eine neue Führungskraft eingestellt, die die Dinge über meine Zeit hinaus weltweit in die Fläche bringen sollte. Wohlwissend, dass diese Führungskraft keinen blassen Schimmer von der effizienten Versorgung eines derart heterogenen Unternehmens hatte, wurde sie mir mit dem Auftrag vorgesetzt, das Metier möglichst umfassend zu vermitteln. Daraus wurde eine Story, die mich das Ende meiner beruflichen Laufbahn noch stärker herbeisehnen ließ. 

 

Ich habe mir lang überlegt, ob es der Stoff für eine separate Story sein könne. Ich bin noch unschlüssig, denn das Ende dieser Story steht ebenfalls kurz bevor. Man sollte sie erzählen, wenn sie endgültig abgeschlossen ist. Hauptgegenstand könnte dann die systematische und mutwillige Zerstörung meines letzten Lebenswerkes und einer Teamkultur sein, die dramatisch und beschämend für ein Unternehmen ist, das sich mit Unternehmensleitlinien schmückt, die täglich ad absurdum geführt werden.

 

Das Geschilderte soll neben der bereits eingangs erwähnten Lernfunktion auch eine Anklage gegen alle gesellschaftsfeindlichen Ausbildungsprinzipien sein, die unsere Strukturen bedrohen. Den pioniergleichen Aufbautypen mit Anstand und Stil sind in den Chefetagen kaltschnäuzige, ausschließlich auf den eigenen Vorteil bedachte Karrierehengste und -stuten gefolgt, die unser Land zusammen mit den ähnlich strukturierten Politikern immer weiter an den Abgrund bringen, weil sich dieser spezielle Zeitgeist immer weiter zuspitzt. Imponiergehabe und gnadenloses Spiel mit der Existenzangst der Untergebenen sind das Elixier, mit dem alles nachhaltig vergiftet wird.

 

Das ist die Welt, in der wir leben.